Kultur ist keine Ware!

Das Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft), das gerade zwischen der EU und den USA verhandelt wird, stellt (wiedereinmal) grundsätzliche demokratische Standards in Frage.

Die IG Kultur Österreich ist nicht alleine in der Kritik der Geheimverhandlungen, die von zahlreichen NGOs geteilt wird. Die Inhalte des Verhandlungsmandat wurden zusätzlich erst durch eine illegale Veröffentlichung bekannt. Geht es nach dem Willen der Verhandler_innen wird TTIP es einzelnen Unternehmen ermöglichen, wegen zu hoher Sozial- oder Umweltstandards Staaten zu verklagen. Dieser Versuch, demokratisch entwickelte Standards wegen Behinderung des freien Marktes gerichtlich auszuhebeln, passiert nicht zum ersten mal, schon in den Entwürfen zum MAI Abkommen war diese Möglichkeit vorgesehen und wurde noch rechtzeitig verhindert. Dazu kommt, dass diese Verhandlungen nicht etwa vor staatlich legitimierten (Handels-)Gerichten, sondern vor Schiedsgerichten stattfinden soll.

Was bedeutet die TTIP für den Kultursektor insbesondere in Hinblick auf die UNESCO Konvention zum Schutz und zur Förderung kultureller Vielfalt? Die USA würde gerne den Bereich audiovisuelle Medien mit in die Verhandlungen nehmen, durch den Widerstand der französischen Kulturministerin wurde dieser Punkt aus dem Verhandlungsmandat ausgenommen. Denn es geht vielfach um die Änderung der Warenklassifikation der UNO, die den gesamten audiovisuellen Bereich unter Kultur führt. Ziel der amerikanischen Verhandlungen wäre es jedoch diesen Bereich (also Film, Radio, Musik, neue Medien, etc.) als Telekommunikation zu führen. Diese Änderung würde nicht nur us-amerikanische Konzerne bevorzugen, sondern auch die deutsche Bertelsmann-Gruppe könnte ihre Marktkonzentration ausbauen. Unsicher ist jedenfalls die Zukunft der Buchpreisbindung und auch das Urheberrecht, das in den USA von den großen Medienkonzernen wie etwa (Google, Time Warner, Disney) massiv zu ihren Gunsten lobbyiert wird.


Ein Eingriff in die Strukturen kulturpolitischer Förderungen, Subventionsbestimmungen, etc. ist derzeit eher unwahrscheinlich, da die UNESCO Konvention sehr klare Bestimmungen aufweist und nicht durch andere Abkommen überstimmt werden kann. Gefährdet sind kulturelle Bereiche nur dann, wenn sie in einen anderen Bereich, wie etwa Telekommunikation verschoben werden. Dennoch sind alle Bereiche des Kunst- und Kulturbetriebes (mit Ausnahme des audivisuellen Bereiches) im Verhandlungsmandat enthalten. Deswegen ist es besonders wichtig, dass die Staaten wachsam sind und entsprechende Ausnahmen in der TTIP verankern. Schließlich soll es auch in Zukunft möglich sein, etwa für zeitgenössische Formen kulturpolitische Massnahmen zur Förderung des kulturellen Sektors zu entwickeln.

Die IG Kultur Österreich schließt sich der Kritik zahlreicher zivilgesellschaftlicher, umweltpolitischer NGOs an und verurteilt die geheimen Verhandlungen zur TTIP, die mehrheitlich aus Sicht von Marktderegulierung geführt werden und der Tendenz Vorschub leisten, selbst Kultur als Ware zu verstehen.

http://www.kupf.at/medien/zeitung/2013-2014/149/freihandel-vs-kulturelle-ausnahme

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