Evaluierung der Grazer Kunst- und Kulturförderung

Die Evaluierung der Grazer Kunst- und Kulturförderung zeichnet sich durch umsichtige, nachhaltige und zukunftsweisende Handlungsperspektiven für die städtische Kulturpolitik aus!

Die Evaluierung der Grazer Kunst- und Kulturförderung zeichnet sich durch umsichtige, nachhaltige und zukunftsweisende Handlungsperspektiven für die städtische Kulturpolitik aus!

Pressemitteilung der IG Kultur Steiermark am 27.09.2011
 

Städtische Kulturpolitik im Umbruch

Die IG Kultur Steiermark bedauert den Rücktritt von Kulturstadtrat Edmund Müller und reklamiert von den Verantwortlichen in der Stadtpolitik endlich Kontinuität. Zu den größten Hürden für nachhaltige und ressourcenschonende Arbeit der Kulturinitiativen und ihrer steirischen Vertretung gehört, dass dem Kulturressort wenig Bedeutung geschenkt wird und die Stadträte dementsprechend oft wechseln. Dieses Muster in der Stadtpolitik, welches im letzten Jahrzehnt deutlich wurde, stellt eine Geringschätzung der Kulturszene von Seiten der Politik dar. Wir fordern daher: eine Kulturstadträtin oder einen Kulturstadtrat, der/die für die Anliegen der vielfältigen Grazer Kulturszene brennt und nicht nach (weniger als) einem Jahr, kaum ist er/sie eingearbeitet, wieder zurücktritt!

Trotz Wechsel im politischen Büro gibt es in der Kulturpolitik der Stadt viel zu tun, was die neu erschienene Evaluierung der Grazer Kulturförderung zeigt – ein spannendes Feld für den/die neue/n StadträtIn!

Wurde die Evaluierung von Stadtrat Herper initiiert und von Stadtrat Müller vorgestellt, so plädiert die IG Kultur Steiermark nun auf Umsetzung - auch Finanzstadtrat Rüsch könnte dafür Weichen stellen.

Kulturpolitik der Stadt Graz zukunftsweisend

Die Evaluierung der städtischen Kunst- und Kulturförderung zeigte vielversprechende, umsichtige und nachhaltige Handlungsperspektiven für die Stadtpolitik, so die IG Kultur Steiermark. Das vom Kulturbeirat der Stadt Graz beauftragte Evaluierungsteam sprach zu jedem Kulturförderbereich eine Reihe von Empfehlungen aus, auf deren überwiegende Mehrzahl das Kulturressort positiv reagierte. Diese Reaktionen stimmen die VertreterInnen der steirischen Kulturinitiativen hoffnungsvoll, verheißen sie doch eine bessere Kulturförderpolitik in den kommenden Jahren.

Die Ausgaben der Gemeinde Graz für Kultur insgesamt liegen mit ca. 5% vom Gesamtbudget vergleichsweise hoch. Die Frage lautet also nicht wie in anderen österreichischen Städten, wie ein größerer Anteil vom Gesamtbudget zu lukrieren wäre, sondern, wie die vorhandenen Mittel sinnvoller und zukunftsträchtiger zu verteilen wären. Ein Problem in diesem Zusammenhang stellt laut Studie dar, dass nur 13% dieser Ausgaben in der Verantwortlichkeit des Kulturamtes liegen und also für gezielte kulturpolitische Maßnahmen zur Disposition stehen. So gehen 95% der Fördergelder in der Sparte Theater an die Theaterholding, welche im Eigentum der Stadt ist. Ähnlich verhält es sich z.B. mit dem Kunsthaus. Das Budget dieser Institutionen wird dabei nicht vom Kultur-, sondern vom Finanzressort verwaltet. Die IG fordert daher, in Übereinstimmung mit den StudienautorInnen: Alle Kulturbudgets ins Kulturressort!


Aber auch in jenen Bereichen, die dem Kulturressort unterliegen, zeigt sich die von der Studie kritisierte Asymmetrie zwischen den großen, staatlichen und den kleineren, privaten Kulturinstitutionen: So gehen von den verfügbaren Fördergeldern der Sparte "Bildende Kunst und Photographie" 5,7 Millionen Euro an das Kunsthaus, während die ganze freie Szene in diesem Bereich mit 0,6 Millionen Euro ihr Auslangen finden muss.

Weiters weist die Studie auf ein "Senioritätsprinzip" hin, das sich in der Grazer Kulturlandschaft eingeschlichen hat: Aufgrund besserer Vernetzung und größerer Berechenbarkeit erhalten jene Personen und Institutionen, die schon länger "dabei" sind, erheblich mehr, als junge, innovative Initiativen. Ein von den AutorInnen vorgeschlagener und vom Kulturressort befürworteter Innovationstopf (50.000 €) – wie bereits in Oberösterreich und Tirol installiert – stellt auch für die IG Kultur Steiermark eine notwendige Neuerung in der Kulturförderung dar.

Eine wichtige Empfehlung der Studie ist das "All-Inclusive-Prinzip": Projektförderverträge wären eigentlich für FörderempfängerInnen mit niedrigem Institutionalisierungsgrad gedacht, werden aber in der Praxis auch von großen Institutionen zu den regulären Förderverträgen hinzu beantragt und gewährt. Die Studie empfiehlt hier: Gegebenenfalls höhere Sockelbeträge in den Förderverträgen bei gleichzeitiger Einschränkung der punktuellen Projektförderungen für "Etablierte". Dies würde die Kosten transparenter machen.

Da ein Großteil der kulturell arbeitenden Menschen in Graz in prekären Situationen lebt, was zu einem Verlust an Innovation und Kreativität führt (z.B. durch Abwanderung, anderweitiger Beschäftigung, um über die Runden zu kommen, Burn-Out, etc.), empfiehlt die Studie als dringende Maßnahme, mindestens eine Indexanpassung aller Förderungen im Bereich der Personalkosten vorzunehmen.

Experimentelle, mit wenig Gewinn verbundene Kultursparten - die Studie nennt explizit die experimentelle Musik - bedürfen der öffentlichen Förderung dringender als Sparten, die ohnehin auf dem freien Markt Gewinne erwirtschaften (die Studie verweist auf Teile des Programms im Orpheum, welches Teil der Theaterholding ist). Bei Letzteren bedeutet die Förderung durch die öffentliche Hand bloß ein Zubrot, während für Erstere das Überleben auf dem Spiel steht. Die Studie empfiehlt eine Neubewertung der Förderkriterien in diesem Sinne, und die Reaktionen der Politik auf diese Forderungen stimmen die IG Kultur optimistisch: Die Förderpolitik der nächsten Jahre wird von uns hieran gemessen werden! Kulturpolitik, so der Evaluierungsbericht, ist nicht als Schutzschild für unternehmerisches Risiko zu verstehen. Die Studie empfiehlt im Zusammenhang mit experimenteller Kunst auch eine gezielte Förderung von Plattformen für avancierte Kulturkritik, als Bedingung dafür, den KünstlerInnen eine breitere Öffentlichkeit zu bieten.

Von den StudienautorInnen hervorgehoben und von der Politik anerkannt wurde auch die Bedeutung von "zivilgesellschaftlichen AkteurInnen wie dem Kulturbeirat, den Fachbeiräten und den IGs als beratende Instanz."

Link zum Informationsbericht an den Gemeinderat:
http://kulturserver-graz.at/pdfs/studie_informationsbericht.pdf

Link zum Evaluierungsbericht:
http://kulturserver-graz.at/pdfs/studie_evaluierungstext.pdf

 

Tags

Kulturförderung

Ähnliche Artikel

Wie schaut es um Themenschwerpunkte, Visionen und auch Versäumnisse im Ressort Kunst und Kultur in den Wahlprogrammen der kandidierenden Parteien zur Vorarlberger Landtagswahl am 13. Oktober 2024 aus? Wir haben uns eingelesen, mit kulturpolitischen und kulturstrategischen Schritten der vergangenen Jahre verglichen und im Sinne einer fairen, rechtlich und sozial abgesicherten Kulturarbeit analysiert. In etlichen Punkten bspw. beim Thema Fair Pay, Raumangebot und kultureller Teilhabe für alle Bevölkerungsschichten und Einkommensgrößen sind sich die Parteien einig. Interessant ist, dass vor allem die Kleinparteien Wesen und Bedeutung von Kunst und Kultur knackig auf den Punkt bringen, während Landtagsparteien viel Worte um wenig Umgesetztes und Umsetzbares machen.
Für Kulturförderungen führt die Abteilung 14 – Kunst und Kultur des Landes Kärnten/Koroška Einreichfristen ein. Dies dient der erleichterten Abstimmung der Akquirierung von Drittmitteln und gibt der Kulturabteilung Überblick über den Gesamtbedarf.
Fair Pay für Kulturarbeit - Kultur muss sich lohnen* - Auch in der Steiermark? Nach öffentlichen Bekenntnissen zu Fair Pay, aufwendigen Erhebungen und einer bereits kolportierten Budgeterhöhung von rund 1 Million Euro jährlich gibt es von der steirischen Landesregierung nur vage Aussagen und keine konkreten Entscheidungen.