Stellungnahme der IG Kultur Österreich zum Urteil des Landesgerichts Eisenstadt (Arenaria gegen Land Burgenland)

Die Diskussion um das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt zu einer Förderablehnung nimmt die IG Kultur Österreich zum Anlass ihre kulturpolitischen Forderungen für eine Verbesserung der Kunst- und Kulturförderungsgesetz zu wiederholen.

Foto: Römersteinbruch, Tosca ©Herta Schuster

 

Die Diskussion um das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt zu einer Förderablehnung nimmt die IG Kultur Österreich zum Anlass ihre kulturpolitischen Forderungen für eine Verbesserung der Kunst- und Kulturförderungsgesetz zu wiederholen:

  1. Individuelle und transparente Förderungsentscheidungen

Statt der bloßen Kopie der Förderkriterien in die Begründung einer Absage, muss eine individuelle, nachvollziehbare und transparente Bewertung des eingereichten Vorhabens erfolgen. Ein quantitatives Punktesystem zur Ergänzung der qualitativen Kriterien nach Vorbild der Bewertungsmethode der EU Kulturförderprogramme wäre wünschenswert.

  1. Ein offener Fördertopf für nicht kategorisierbare Projekte und Initiativen

Nicht jedes Projekt, nicht jede Initiative lässt sich in eine Schublade stecken. Sie zeichnen sich vielmehr durch Innovation aus. Deshalb kann es passieren, dass zukunftsweisende Projekte in keinen der bestehenden Förderrichtlinien passen und deshalb ohne Subventionen der öffentlichen Hand auskommen müssen.

Deshalb fordert die IG Kultur Österreich einen zusätzlichen, offenen Förderbereich für Projekte und Initiativen, die sich unter keine der bestehenden Kategorien subsumieren lassen. Dies würde der Förderung neuer, innovativer kultureller und künstlerischer Ausdrucksformen zugutekommen.

Als große Forderung tritt die IG Kultur weiter für eine dringend notwendige Aufstockung der Förderungen der freien Szene inklusive automatischer Anpassung an die Inflation ein.

 

Der Anlassfall

Das burgenländische Kulturunternehmen Arenaria hat in den letzten beiden Jahren keine Förderungen vom Land Burgenland erhalten. Die Begründung: Die budgetären Mittel reichen nicht aus. Der Opernveranstalter klagte und bekam Recht. 

Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 30.1.2017 wurde das Land Burgenland schuldig erkannt, der Arenaria binnen 14 Tagen eine Million Euro zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen zu bezahlen. Die Arenaria ist eine Tochter der Piedra-Stiftung, die wiederum von zwei Esterhazy-Stiftungen begründet worden war. Sie veranstaltet seit 2015 die Opernaufführungen im Römersteinbruch und die Kinderoper, nachdem der frühere Organisator, die Opernfestspiele St. Margarethen GmbH & CoKG (OFS), 2014 in Konkurs gegangen war.

Für die Produktionen „Tosca“, „Der Liebestrank“ sowie die Kinderoper „Die Schneekönigin“ hat die Arenaria 2015 und 2016 insgesamt eine Million Euro an Kulturförderungen vom Land Burgenland beantragt. Das Förderansuchen wurde abgelehnt. Zu Unrecht, wie die Arenaria beklagt. Aus sachlichen Gründen, genauer aus Mangel an budgetären Mitteln, entgegnet das Land. So hat SPÖ Kulturlandesrat Helmut Bieler im Prozess ausgesagt, der Hauptgrund der Ablehnung „war, dass wir das Geld nicht hatten“.1

Im Verfahren wurde festgestellt, dass die Entscheidungsträger des Landes üblicherweise zwar auch verschiedene andere Kriterien, wie z.B. Burgenlandbezug, Nachhaltigkeit, bisherige Förderungsverwendung und ähnliche, überprüfen. Die betragsmäßig sehr hohen Ansuchen der Arenaria wurden jedoch ohne weitere Prüfung bereits deshalb abgelehnt, weil sie aus dem vorgesehenen Budget nicht problemlos abdeckbar waren.2

Das Gericht hat dazu rechtlich Folgendes erwogen: Liegen bestimmte typische Voraussetzungen vor, ist eine Förderung zu gewähren. Nur sachliche, im Förderungszweck gelegene Gründe rechtfertigen ein Abweichen, also die Ablehnung des Anspruchs. Bei der Auswahl gelten das Diskriminierungsverbot und der Gleichheitssatz. Weder dem Gesetzestext noch den erläuternden Bemerkungen ist zu entnehmen, dass einer der Zwecke des Burgenländischen Kulturförderungsgesetzes, das auf den konkreten Fall anzuwenden ist, eine Schonung des Burgenländischen Landesbudgets wäre. Die Ablehnung einzelner Förderungswerber mit der Begründung, es würden für die konkrete Förderung Budgetmittel fehlen, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Der hilflose nachträgliche Reparaturversuch des burgenländischen Kulturförderungsgesetzes kam zu spät. Mit Geltung seit 1.1.2017 hält § 1 Abs 2a nun die Förderung „nach Maßgabe der vorhandenen Ressourcen“ und in Abs 4 die Förderungsvergabe „nach Maßgabe der im Landesvoranschlag vorgesehenen Mittel“ fest. Diese Fassung ist aber nicht auf den konkreten Fall anzuwenden.

Hinzu kommt ein zweiter Argumentationsstrang. Die Arenaria sieht im Verhalten des Landes auch einen Verstoß gegen § 1 des Bundesgesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Das Argument: Das Burgenland fördert der Größe nach vergleichbare „eigene“ Festivals (Schlossspiele Kobersdorf, Lisztfestspiele Raiding, Seefestspiele Mörbisch etc) teilweise mit Beträgen, die weit über den von der Arenaria beantragten Beihilfen liegen. Der burgenländische Kulturbericht bestätigt, dass das Burgenland eigenen Unternehmen Förderungen in der Höhe von mehreren hundert tausend Euro jährlich gewährt.

Die rechtlichen Erwägungen des Gerichts geben der Arenaria Recht. Ein Verstoß gegen § 1 UWG könne darin liegen, dass die öffentliche Hand Machtmittel missbräuchlich einsetzt, die ihr aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen. Ein solcher Missbrauch hoheitlicher Machtstellung wird u.a. in der Förderung bestimmter Mitbewerber gesehen. Besteht die Förderung in der Gewährung von Subventionen, so dürfen nicht einzelne Unternehmen unbegründet bevorzugt werden. Im Zuge der Vergabe von Förderungen gilt für die Förderung eigener Unternehmen der Gleichheitssatz ebenso wie hinsichtlich der Förderung fremder Unternehmen. Eigene Unternehmen haben eine Förderung bekommen, die Arenaria aus Budgetgründen nicht. Dies stelle eine Ungleichbehandlung der klagenden Arenaria gegenüber den vom Burgenland durchgeführten Projekten dar.3

 

Die Rechtslage auf Bundesebene

Mit Bundesgesetz vom 25. Feber 1988, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 91/2015, wird die Förderung der Kunst aus Bundesmitteln geregelt (Kunstförderungsgesetz). Das Gesetz legt etwa die Aufgaben, den Gegenstand, die Arten, allgemeinen Voraussetzungen sowie Bedingungen für die Förderungen fest.

§ 5 Abs. 1 Kunstförderungsgesetz schreibt vor, dass vor Gewährung einer Förderung mit dem Förderungswerber ein Vertrag abzuschließen ist, der alle Auflagen und Bedingungen enthält, die den wirtschaftlichen Einsatz der Bundesmittel sicherstellen. Rechtsanwalt Dr. Günter Medweschek schließt in seinem Gutachten für die IG Kultur Österreich daraus: „Da sohin in diesem Gesetz keine Entscheidungen auf Basis von hoheitlichen Akten zu erfolgen haben, sondern ausdrücklich von ‚Veträgen‘ die Rede ist, kann davon ausgegangen werden, dass damit der ‚Vollzug des Gesetzes‘ im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zu erfolgen hat.“4

Das ist insofern wesentlich als sich im Bereich der nicht hoheitlichen Verwaltung Bürger und Staat rechtlich auf gleicher Ebene gegenüberstehen und als Träger von Privatrechten an die Grundrechte gebunden sind. Hierbei kommt insbesondere dem Gleichheitsgrundsatz als Sachlichkeitsgebot grundlegende Bedeutung zu. Die Entscheidungen müssen auf objektiven und nachprüfbaren Erwägungen beruhen, die transparent und sachlich gerechtfertigt sind.


Dr. Medweschek dazu: „Wenn also Förderungen unter bestimmten Voraussetzungen gewährt werden, darf im Einzelfall nur dann davon abgewichen werden, wenn es besondere Gründe hierfür gibt. Dies dürfen aber keine willkürlichen Gründe sein, sondern müssen besondere sachliche Gründe darstellen, welche am Förderungszweck ausgerichtet sind.“5

Das Landesgericht in Eisenstadt hat argumentiert, dass die Schonung des Landesbudgets nicht dem Zweck des burgenländischen Kulturförderungsgesetzes entspricht und daher kein dem Gleichheitsgebot entsprechender sachlicher Grund für eine Ablehnung des Förderansuchens ist, wenn an andere Förderungen vergeben werden.

Welchen Zweck hat das Kunstförderungsgesetz des Bundes? § 1 lautet:

„(1) Im Bewußtsein der wertvollen Leistungen, die die Kunst erbringt und in Anerkennung ihres Beitrages zur Verbesserung der Lebensqualität hat der Bund die Aufgabe, das künstlerische Schaffen in Österreich und seine Vermittlung zu fördern. Für diesen Zweck sind im jeweiligen Bundesfinanzgesetz die entsprechenden Mittel vorzusehen. Weiters ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die finanzielle und organisatorische Förderung des künstlerischen Schaffens durch Private und der sozialen Lage für Künstler anzustreben.

(2) Die Förderung hat insbesondere die zeitgenössische Kunst, ihre geistigen Wandlungen und ihre Vielfalt im Geiste von Freiheit und Toleranz zu berücksichtigen. Sie hat danach zu trachten, die Kunst allen Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen und die materiellen Voraussetzungen für die Entwicklung des künstlerischen Lebens in Österreich zu verbessern.“

Der Zweck des Gesetzes ist demnach das künstlerische Schaffen und dessen Vermittlung in Österreich zu fördern. Dafür sind entsprechende Mittel im Bundesfinanzgesetz festzulegen. Eine Schonung des Kulturbudgets lässt sich unserer Meinung nach nicht aus dem Gesetz ableiten.

Die Allgemeine Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln (ARR) legen darüber hinaus in § 11 Abs. 1 Z2 fest, dass eine Förderung nur zulässig ist, wenn die Bedeckung der Mittelverwendungen im geltenden Bundesfinanzrahmengesetz (BFRG) sowie im geltenden Bundesfinanzgesetz (BFG) sichergestellt ist.

Die gerne gebrauchte Begründung „Wir würden gerne fördern, können aber aus budgetären Gründen nicht“, ist damit dennoch nicht legitimiert. Denn es gibt ja ein im Bundesfinanzrahmen- und Bundesfinanzgesetz bedecktes Budget für Kunst und Kultur. Wie dieses aufgeteilt wird, ist anhand von Gleichheitsgrundsatz und Diskriminierungsverbot entsprechenden Kriterien und Verfahren zu entscheiden.

Das Kunstförderungsgesetz, die dazugehörigen Richtlinien, sowie die formalen und inhaltlichen Kriterien der Förderprogramme der einzelnen Abteilungen des BKA enthalten die Vorgaben nach denen entsprechende Beiräte und Jurys Förderentscheidungen treffen. Die Schonung des Bundesbudgets erkennen wir darin nicht als Zweck.

„Die Entscheidung über die Nicht-/Gewährung einer Förderung ist der Förderungswerberin/dem Förderungswerber schriftlich (postalisch und/oder elektronisch) mitzuteilen. Im Falle einer negativen Förderungsentscheidung jedenfalls unter Angabe der dafür maßgeblichen Gründe“ (7.7 Kunstförderungsrichtlinien des BKA).

Und genau hier herrschen Probleme. Wie der IG Kultur Österreich bekannt ist, ist die Angabe der maßgeblichen Gründe einer negativen Förderungsentscheidung mitunter mangelhaft. Die kopierten Einreichbedingungen werden um den Nebensatz ergänzt, dass diesen nicht entsprochen wurde und der Förderantrag ohne weitere Begründung oder Erläuterung abgelehnt. Dass diese Vorgehensweise dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes entspricht, bezweifeln wir stark.

Zum Vergleich, auch bei Kulturförderungsprogrammen der Europäischen Union muss eine Ablehnung unter Angabe der maßgeblichen Gründe schriftlich erfolgen. Die entsprechenden Vergabekriterien und Ablehnungsbegründungen sind allerdings präziser definiert, in unterschiedlichen, voneinander abgegrenzten Themenbereichen strukturiert und in Form eines Punktesystems quantifiziert. Dadurch wird das eigene Projekt mit anderen vergleichbar und etwaige Schwächen, die zum schlechten Abschneiden bei der Punktevergabe geführt haben, deutlicher. Eine transparente, nachvollziehbare und objektive Beurteilung wird auf diese Weise ebenfalls einfacher.

 

 

Gleichheitskonforme Fördervergabe

Das Landesgericht bietet im Fall Arenaria zwei Lösungswege einer gleichheitskonformen Verteilung beschränkter Mittel bei einer vorab nicht genau vorhersehbaren Bewerberanzahl. Einerseits könnte ein bestimmtes Fördervolumen unter allen in Bedacht kommenden Förderwerbern aufgeteilt werden. Jeder, der die Kriterien erfüllt, ist förderungswürdig und soll demnach eine Förderung erhalten. Das könnte jedoch dazu führen, dass alle Betroffenen zwar eine Förderung bekommen, aufgrund der beschränkten Mittel aber nur in einem unzureichenden Ausmaß. Der daraus resultierende Budgetmangel könnte wiederum die Durchführung des Projekts oder den Erhalt der Initiative gefährden oder gar zu Fall bringen.

Andererseits, so der zweite Vorschlag des Gerichts, könnten unter den einlangenden Angeboten die nach den Förderkriterien besten ausgewählt werden. Hier besteht wiederum die Gefahr einer Spitzenförderung, bei der einige wenige alles erhalten.

Die Aufstockung der Fördermittel für die frei Szene unter Kulturminister Thomas Drozda war ein erster Schritt in die richtige Richtung, ändert aber nichts an der weiter bestehenden Unterfinanzierung. Unter der Voraussetzung entsprechend dotierter Fördertöpfe, spricht sich die IG Kultur Österreich für die Variante aus, dass Förderung in ausreichender Höhe an die den Kriterien am Besten entsprechenden Projekte fließen. Wobei die Kriterien einer ständigen Evaluation im Dialog mit den AkteurInnen und Interessenvertretungen aus dem Feld unterliegen müssen.

 

 

Quellen:

1. Esterhazy klagt Kulturförderung ein. (17.1.2017). Verfügbar unter: http://burgenland.orf.at/news/stories/2820468/ [ges. am 10.4.2017]

2. Landesgericht Eisenstadt (2017) Zusammenfassung der Urteilsbegründung. Verfügbar unter: http://files2.orf.at/vietnam2/files/bgldmagazin/201705/urteilsbegruendung_499419.pdf [ges. am 10.4.2017]

3. Ebd.

4. Günter Medweschek (2015): Rechtliche Beurteilung der Fragestellung 1) Ist aus der Verfassung oder dem Verwaltungsrecht ein „Schadenersatz“ bei verspäteter Ablehnung (eines Förderungsansuchens) ableitbar? Und 2) Ist aus der Verfassung oder dem Verwaltungsrecht ein Recht auf schriftliche Information über die Ablehnungsgründe abzuleiten. S. 3.

5.  Ebd. S. 4.

Ähnliche Artikel

Pressemitteilung der IG Kultur Vorarlberg vom 15.11.2024 Keine großen Sprünge, aber durchaus Anlehnung an das Update der Landeskulturstrategie ortet die IG Kultur Vorarlberg im Arbeitsprogramm unter neuer, schwarz-blauer Regierung. Eine konkretere Einordnung könne jedoch erst mit Aussagen zum Kulturbudget 2025 gemacht werden. „Alle Argumente und Maßnahmen für ein zukunftsorientiertes, faires und professionelles Kunst- und Kulturschaffen liegen ja schon eine Weile auf dem politischen Tisch. Jetzt gilt es, den von den Koalitionspartnern erklärten Vorarlberger Mut auch in Zahlen auszudrücken“, so Mirjam Steinbock von der IG Kultur Vorarlberg. Dass das Ressort Kultur bei Landesrätin Barbara Schöbi-Fink bleibt, hält die Interessensvertretung für wertvoll.
Wie schaut es um Themenschwerpunkte, Visionen und auch Versäumnisse im Ressort Kunst und Kultur in den Wahlprogrammen der kandidierenden Parteien zur Vorarlberger Landtagswahl am 13. Oktober 2024 aus? Wir haben uns eingelesen, mit kulturpolitischen und kulturstrategischen Schritten der vergangenen Jahre verglichen und im Sinne einer fairen, rechtlich und sozial abgesicherten Kulturarbeit analysiert. In etlichen Punkten bspw. beim Thema Fair Pay, Raumangebot und kultureller Teilhabe für alle Bevölkerungsschichten und Einkommensgrößen sind sich die Parteien einig. Interessant ist, dass vor allem die Kleinparteien Wesen und Bedeutung von Kunst und Kultur knackig auf den Punkt bringen, während Landtagsparteien viel Worte um wenig Umgesetztes und Umsetzbares machen.
Im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 haben wir die Parteien nach ihre kulturpolitischen Positionen befragt. Den Abschluss macht die Frage nach den kulturpolitischen Prioritäten der Parteien für die nächsten 5 Jahre. Das haben die Parteien geantwortet. Teil 3/3 der Serie "Kulturpolitik zur Wahl".