Es gibt viel zu tun!

Kulturpolitische Aktionen und Überlegungen der IG Kultur Steiermark

Anlässe für eine intensive Auseinandersetzung mit Kulturpolitiken der Gegenwart gab es in der Steiermark sehr viele. Der eindeutige Kulminationspunkt wurde im Herbst 2010 mit dem Ausruf „Alle müssen den Gürtel enger schnallen!“ von der SPÖVP „Reformpartnerschaft“ erreicht. Ihr „alternativloses Konzept“, in allen Gemeinwohlbereichen massive Einsparungen vorzunehmen, traf zuerst den Sozial- und den Gesundheitsbereich, im Besonderen die NGOs.

 

Mit der Gründung der „Plattform 25“ im Februar 2011 entstand als Reaktion eine breite, bereichsübergreifende Protestbewegung gegen das „Sparbudget“. Mehr als 5.000 Menschen waren bei ihrer ersten Demonstration im März auf der Straße.

 

Mit dem Einsatz des TINA-Slogans von Margaret Thatcher aus den 80er Jahren („There is no Alternative“) konnte die Landesregierung ihre Einsparungsvorhaben trotzdem und in diskursverweigernder Härte umsetzen und sehr bald auch in die Bereiche Bildung, Frauen, Jugend und Kultur implementieren. Im April 2011, nach einigen Aktionen und Interventionen der „Plattform 25“, konnten 10.000 Menschen für einen breiten Protest mobilisiert werden. Neben den SOS Kinderdörfern, den Dachverbänden der Behindertenhilfe und der Jugendwohlfahrt, der IG Kultur Steiermark, bis hin zu den Gewerkschaften waren insgesamt 530 Organisationen involviert. Seit Jahrzehnten hatte man nicht mehr so viele Menschen in Graz auf der Straße gesehen. Doch die eindrucksvollen Bilder und die umfassende Medienberichterstattung zeigten wenig politische Wirkung. TINA war die Antwort. Der Protest wurde von der „Reformpartnerschaft“ ausgesessen.

 

Zusätzlich zu inhaltlichen und organisatorischen Plattformaktivitäten vertiefte die IG Kultur Steiermark 2012 den kulturpolitischen Diskurs und die Reflexion über politische Mechanismen. In der Vortrags- und Diskussionsreihe „Die Kunst der Kulturpolitik“ ging es hauptsächlich um eine Kulturpolitik von unten, also darum, wie ein Diskurs mit den politisch Verantwortlichen herstellbar ist.

 

Die Beschäftigung mit den Problemen und dem teilweisen Versagen demokratiepolitischer Prozesse mündete 2014 in der Publikation „Es gibt viel zu tun – Für eine Demokratisierung der Kulturpolitik im 21. Jahrhundert“. Versucht wurde, ausgehend von der steirischen Situation, auch europaweite Positionen zu Brennpunkten der Kulturpolitik zusammenzuführen und Lösungsvorschläge aufzuzeigen.

Neben Wissensvermittlung und Diskursvertiefung für AkteurInnen im kulturellen Feld scheint die Publikation auch ein geeignetes Mittel zu sein, bei kulturpolitisch Verantwortlichen den einen oder anderen Gedankenanstoß zu leisten.


Als nächster Schritt war eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den inhaltlichen, aber auch geschichtlichen Zusammenhängen der sich verändernden politischen Lage notwendig. Im Herbst 2016 sollte das in Graz veranstaltete Symposion „Matryoshka Effect  – Cultural Policies and its Ideologies“ über die „Lage von Kunst und Kultur in zeitgenössischen kapitalistischen Gesellschaften“ weiteren Einblick in (kultur-)politische Zusammenhänge geben und mögliche Handlungsstrategien aufzeigen. Mit theoretischen Inputs, Kurzvorträgen und Berichten aus der Praxis wurden die Kräfte, die unterschiedlichste Einflüsse auf Inhalt und Bedeutung von Kunst und Kultur haben, sichtbar gemacht. Ferner konnte gezeigt werden, wie die komplexen Veränderungen der gesellschaftlichen und politischen Ausgangslage auch neue Arten der Kunst- und Kulturproduktion bedingen. Das Symposium bildet auch den  Ausgangspunkt und die Grundlage dieser Ausgabe des Zentralorgans für Kulturpolitik und Propaganda der IG Kultur Österreich.

 

Um die richtigen Antworten auf die vielfältigen kulturpolitischen Gegenwarts- und  Zukunftsfragen zu finden, ist es notwendig, die Rolle von Kunst und Kultur in der Gesellschaft zu überdenken und ihre Funktion als Stabilisator und gleichzeitigen Erneuerungs- und Widerstandsfaktor zu erkennen.

Um die Prozesse zu verstehen, die die aktuelle kulturelle Entwicklung bestimmen, braucht es auch einen Blick auf die historischen Veränderungen, die dazu führten, dass sich die Bedeutung von Kunst und Kultur mittlerweile weit weg vom aufgeklärten Ideal eines emanzipatorischen Instrumentariums befindet.

 

Als Interessenvertretung zeitgenössischer unabhängiger Kunst- und KulturproduzentInnen ist es unsere Aufgabe, die unmittelbaren Arbeitsbedingungen zu verbessern. Darüber steht aber der Kampf gegen Instrumentalisierung und wiederkehrende Verwertungsinteressen der Politik. Durch die neue schwarz-blaue Regierung in der Stadt Graz ergeben sich erneut große Herausforderungen. Wir werden uns ihnen stellen, denn es gibt nach wie vor viel zu tun!

 

Von Anita Hofer, Lidija Krienzer Radojevic und Simon Hafner 
Sie sind Vorstandsmitglieder der IG Kultur Steiermark

 

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