WunschmaschinistInnen aller Territorien verkoppelt euch!

Es geht in „Tausend Maschinen“ auch nicht so sehr darum, was eine Maschine ist, als vielmehr darum, wie sie funktioniert und die beschriebenen Funktionsweisen sind wahrlich atemberaubend: In einer fulminanten Overtüre schwingt sich der Autor aufs Fahrrad und radelt in immer schnelleren, immer weiter ausgedehnten Ellipsen durch Literatur und Film, um, beschleunigt durch Science Fiction, schließlich in der politischen Manifestation des ladyride endgültig die für die Untersuchung zentrale „Praxis des Austauschs, des Verkehrs“ subversiv und vergnüglich zu be(un)ruhigen.

Bei Turia + Kant ist der siebte Band der schillernden Reihe Es kommt darauf an, Texte zur Theorie der politischen Praxis erschienen. Diesmal kommt es auf nicht weniger als „Tausend Maschinen“ an, die über Wunschmaschinen, Kriegs- und Theatermaschinen bis zu Mayday-Maschinen durch Abstrakte Maschinen mäandern.

Wie in einer packenden Kurzgeschichte webt Gerald Raunig Motiv und Beweggrund seiner „kleinen Philosophie der Maschine als sozialer Bewegung“ ins Wortgefüge der ersten Absätze. Hier begegnet uns „eine seltsame Theorie, die den wechselseitigen Austausch, das Fließen der Atome, der Teilchen der Materie zum Inhalt hat; und das meint nicht nur das Fließen innerhalb genau abgegrenzter Körper und Identitäten, sondern den schier unbegrenzten Fluss zwischen Körpern, die einander berühren oder einander nahe kommen, die in Nachbarschaftszonen ineinander übergehen.“ (8) Dieser Atom-Theorie-Fluss Flann O’Briens ist Fluidum, Medium und Materialität von Raunigs Untersuchung, doch um festzustellen, ob es sich beim Untersuchten tatsächlich um Maschinen handelt, ist die Beziehung zu einem kontinuierlichen materiellen Strom noch nicht ausreichend. Maschinen verkoppeln sich in einem komplexen Gefüge von Strom-Einschnitt-Entnahme und Raunig unternimmt es, in diesem Komplex die Konnexionen, Polungen, Strömungsrichtungen und Funktionsweisen abstrakter Maschinen auszuloten. Er entwirft dabei eine Diachronie, die sich vom „prominentesten Mythos der Kriegsmaschinenepik“ (60), dem trojanischen Pferd, bis zum „alten englischen Doppeldecker-Bus“ der VolxTheaterKarawane spannt, „der die beiden Komponenten der technischen Kunstfertigkeit und der künstlerischen List“ (55) vereinigt.

Handelt es sich um eine Maschine?

Diese Frage ist laut Raunig „nicht einfach zu beantworten, aber richtig gestellt.“ (17) Dementsprechend geht es in „Tausend Maschinen“ auch nicht so sehr darum, was eine Maschine ist, als vielmehr darum, wie sie funktioniert und die beschriebenen Funktionsweisen sind wahrlich atemberaubend: In einer fulminanten Overtüre schwingt sich der Autor aufs Fahrrad und radelt in immer schnelleren, immer weiter ausgedehnten Ellipsen durch Literatur und Film, um, beschleunigt durch Science Fiction, schließlich in der politischen Manifestation des ladyride endgültig die für die Untersuchung zentrale „Praxis des Austauschs, des Verkehrs“ (91) subversiv und vergnüglich zu be(un)ruhigen. Der Dritte Polizist von Flann O’Brien, Themroc von Claude Faraldo, Ladri di Biciclette von Vittorio de Sica sind die initialen Etappen dieser Tour de Force, die über Jacques Tatis Jour de Fête und Alfred Jarrys Übermann zuletzt „als queere Aneignung des massenhaften Fahrradfahrens“ (106) bei der Critical Mass anlangt. Um während dieser rasanten Fahrt in Schwung zu bleiben, werden die okzidentalen Philosophie-, Kriegs- und Theatergeschichten durchforscht und daraus immer wieder neue Maschinenfragmente, Schmiermittel und stillgelegte Motoren geborgen, die an eine zunehmend abstraktere Maschine angeschlossen werden. In all diesem Tempo geht es jedoch nicht einfach darum, sich mit Geschwindigkeit, dem „rapidité-Virus“ (88) anzustecken, um die Flucht aus den unhaltbaren gesellschaftlichen Verhältnissen in einer „beschleunigten Singularisierung“ (89) zu suchen. Vielmehr geht es darum, die vom Sozialen hervorgebrachte Macht, genauer die Machtverhältnisse, „als Potenz, Vermögen, Möglichkeit“ (95) zu untersuchen, sie in abstrakten Maschinen diffus, virtuos und monströs zu aktualisieren und damit Fluchtlinien zu schaffen, in denen Singularisierung durch die Verkoppelung mit anderen, unterschiedlichen und vielfältigen Singularisierungsweisen möglich wird.

(A)soziale Maschinen

„Fliehen, ja“, ruft uns der Autor Deleuze Lieblingsformulierung in Erinnerung, „aber im Fliehen eine Waffe suchen.“ (52) So reichhaltig und überraschend sich diese Suche bei Raunig auch gestaltet, sie gerät nie zur Apologie der untersuchten Erfindungen zeitgenössischer Aktionsformen. Seine kritische Vorsicht speist sich nicht zuletzt aus der unvoreingenommenen Analyse seiner eigenen Koppelungen an aktuelle soziale Bewegungen und „der kleinen revolutionären Maschinen in ihrem Umfeld.“ (62) Raunig hausiert nicht mit Rezepten zur Zusammensetzung solcher „kleinen revolutionären Maschinen“, vielmehr untersucht er rigoros die Mechanismen, durch die solche Maschinchen vom Staatsapparat vereinnahmt oder abgestoßen werden. Im gerichtlichen Nachspiel zu den von Karawanen-AktivistInnen in Lambach als Kunst der Feindschaft praktizierten biometrischen Vermessungen wurde der Autor etwa als Experte an die staatliche Justizmaschinerie angeschlossen. Er stellt dazu ernüchtert fest: „Von Attacke, Offensive, vom ‚im Fliehen eine Waffe suchen’ konnte in der Schmierenkomödie des Dorfgerichts keine Rede mehr sein, und ich musste, auf die Rolle eines ‚Kunstsachverständigen’ begrenzt, artig bezeugen, dass es sich bei der Aktion um Kunst handelte [...]“ (52–53) Neben der Distanzierung von den Klassifizierungsmustern des Staates, dessen Vereinnahmungsmechanismen der Autor als „Staatsapparatisierung“ (45, 65, etc.) adressiert, kennzeichnet „Tausend Maschinen“ eine profunde Skepsis gegenüber der Konstruktion des Sozialen als Gemeinschaft. Selbst vom „noch so feinsinnigen Diskurs“ der Gemeinschaftlichkeit „steht zu befürchten“, dass hinter ihm „ein Begehren nach kollektiver Identität ohne Bruch, ohne Einschnitt und ohne Außen steckt.“ (85) Eben da findet sich einer der entscheidenden Einsätze des Maschinendiskurses: Maschinen sind ohne Bruch oder Einschnitt nicht zu haben, da sie sich gerade als ein System von Einschnitten bestimmen. Wenn Maschinen überhaupt funktionieren, so durch Verknüpfung, Verkettung und Koppelung von Einschnitten, dem Hervorbringen von Differenz und nicht in deren Unterordnung unter eine wie auch immer geartete Form der Gemeinschaft. „Jede Maschine,“ so Deleuze und Guattari im Anti-Ödipus, „ist Strom-Einschnitt gegenüber derjenigen, der sie angeschlossen ist, aber selbst Strom oder Stromproduktion im Verhältnis zu der Maschine, die ihr angekoppelt ist.“ Solche maschinische Funktionsweisen erprobt Raunig wiederholt an Überlegungen von Marx und an Entwürfen der marxistischen Tradition und er befreit den general intellect durch seine Lesart als „Tendenz einer allen offen stehenden, von allen geteilten Potenzialität“ (104) aus der (postoperaistischen) Umarmung durch einen ungeteilten common.

Die Qualität der Maschine

Gegen die Reduktion maschinischer Möglichkeiten durch die Vorstellung einer werkzeughaften Verlängerung oder Ersetzung menschlicher Fähigkeiten hält Raunig fest: „[...] die Qualität der Maschine ist genau umgekehrt jene der Kommunikation, des Austausches.“ (28) Daher ist es auch überaus stimmig, wenn Maurizio Lazzarato im Nachwort zur kleinen Maschinenphilosophie ein Röntgenbild des Kommunikationsapparats Fernsehen als abstrakte soziale Maschine entwirft, an deren maschinischer Indienstnahme er den Zugriff der kapitalistischen Produktionsweise auf die Subjekte veranschaulicht. Denn darin sind Raunigs Ausführungen unmissverständlich: Gäbe es „nur“ maschinenproduzierte Entfremdung, Unterwerfung und Ausbeutung, so wäre Marx’ Analyse des Molochs Kapital ausreichend, doch das Scheitern des Kommunismus am Gemeinsamen bliebe damit für immer im Dunkeln. Maschinische Indienstnahme, so führt Raunig in Anlehnung an Guattari aus, „meint hier nicht einfach das untergeordnete Verhältnis des Menschen zur das gesellschaftliche Wissen objektivierenden Maschine, sondern vielmehr eine allgemeinere Form kollektiver Verwaltung von Wissen und die Notwendigkeit der permanenten, wenn auch scheinbar selbst bestimmten Partizipation.“ (109) Durch seine Untersuchung der „formlosen Form“ (86) des Zugriffs auf Körper, Subjekte und Dinge trägt der Autor dazu bei, das zu erhellen, was Deleuze und Guattari im Anti-Ödipus als „die grundlegende Frage der politischen Philosophie“ bezeichneten: „Warum kämpfen die Menschen für ihre Knechtschaft, als ginge es um ihr Heil?“ Das Originelle und Befreiende in Raunigs Unternehmung besteht indes darin, dass er in der Geschichte des okzidentalen Denkens, Schreibens und Artikulierens unermüdlich nach Strategien und Taktiken künstlerischer und politischer Praxis forscht, die Fluchtlinien aus einer solch unheilvollen Partizipation eröffnen. Eine tiefe Ambivalenz, so schreibt er, wohne den Maschinen inne: „Abstrakte Maschinen sind wie alle Maschinen produktive Komponenten des kognitiven Kapitalismus, sie sind vereinnahmbar, sobald sie gemacht oder gedacht, sobald sie erfunden sind.“ (106) Der Schwerpunkt von Raunigs Untersuchung liegt diesseits der Vereinnahmung, sein Augenmerk gilt der maschinischen Zusammensetzung, die ein ebenso breites wie differentes Forschungsfeld ermittelt. Marx’ entsprechender Entwurf im Fragment über die Maschine ist ebenso Gegenstand der Analyse wie die Theatermaschinen der Antike und der (post)revolutionären Sowjetunion. Kriegsmaschinen der Klassik und Gegenwart, die darauf abzielen, durch List und Erfindung den Krieg zu vermeiden, fügen sich ebenso in die textuelle Anordnung wie Mayday-Maschinen, die einen Querschnitt durch die Vielfalt zeitgenössischer Bewegungsformen thematisieren. Die Auswahl ist heterogen, aber keineswegs beliebig. Es handelt sich dabei weder um chronologisch, entwicklungsgeschichtlich oder gar dialektisch geordnete Reihen, Raunig wird vielmehr selbst zum Maschinisten, der mit den gefundenen, freigelegten, analysierten Teilen eine abstrakte Maschine zusammenfügt, deren Ambivalenz er nicht zuletzt dank seiner etymologischen Präzision nicht aus den Augen verliert.

Das Verdienst

Im erwähnten Nachwort zu „Tausend Maschinen“ urteilt Lazzarato: „Das große Verdienst der Arbeit von Gerald Raunig ist es, das von Deleuze und Guattari formulierte Maschinenkonzept erneut in Umlauf zu bringen und es der marxistischen Tradition gegenüberzustellen, die ihre stärkste Erneuerung im Postoperaismus findet.“ (113) Ein Verdienst, zweifellos, was aber macht Raunigs „Kleine Philosophie der Maschine als sozialer Bewegung“ darüber hinaus unterhaltsam, aufschlussreich und schlau? Unterhaltsam bleibt die Arbeit dank der zahlreichen Umwege, auf denen die LeserInnen zu Entdeckungsreisen abseits geradliniger Gedankenströme eingeladen werden; aufschlussreich wird sie dank differenzierter, an Philologie und Etymologie geschulter Begriffsbestimmungen; und schlau macht sie ihre lebhafte Aufmerksamkeit auf aktuelle Widerstandsformen. Ich geb’s gern zu: Am meisten angezogen bin ich von der Akribie des sprachlichen Ausdrucks, in dem, trotz oder gerade wegen seiner Sorgfalt, immer wieder „kleine Vorsprünge einer noch nicht vereinnahmten maschinischen Differenz entstehen.“ (106) Die Macht der dabei evozierten Bilder macht es mir schwer, mit dieser Besprechung zu Ende zu kommen. Vom Prekariat etwa, das einen prominenten Raum in den Überlegungen des Autors einnimmt, wird gesagt: „Gegen das Bild des schlafenden Riesen Proletariat, der durch Klassenbewusstsein und Partei aufgeweckt werden muss, ist das Prekariat ein Monster, das Schlaf nicht kennt.“ (94) Da drängen sich bei mir singularisierte FlexarbeiterInnen vor, die zu nachtschlafender Zeit vor dem unruhig bläulichen Flackern ihrer Bildschirme hocken, den der elektronischen Maschinerie fehlende Rauch durch übermäßigen Zigarrettenkonsum substituieren und ihre Schlaflosigkeit mit zahl- und namenlosen Anderen teilen, von deren Existenz sie durch virtuelle Netzwerke wissen. Ein Manual gegen (prekäre) Schlaflosigkeit, mit erwünschten Nebenwirkungen.

RAUNIG, GERALD: „Tausend Maschinen. Eine kleine Philosophie der Maschine als sozialer Bewegung.“ Mit einem Nachwort von Maurizio Lazzarato. Wien: Turia + Kant 2008.

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