Imaginationen des Untergangs

Carina Klammer: Imaginationen des Untergangs. Zur Konstruktion antimuslimischer Fremdbilder im Rahmen der Identitätspolitik der FPÖ. Wien: Lit Verlag 2013

Mit Imaginationen des Untergangs legt Carina Klammer ihre Masterarbeit in Buchform vor und es ist – soviel sei vorweggenommen – ein Buch, das jene, die sich mit antimuslimischem Rassismus (und nicht nur jenem von ganz rechts außen!) beschäftigen, nicht verpassen sollten. Bevor ich aber auf die Stärken der Arbeit zu sprechen komme, ein paar Worte zu einigen Schwächen, die in erster Linie dem Genre der wissenschaftlichen Abschlussarbeit geschuldet sind: So steht am Beginn eine „methodische Verortung“ mit einem Foucaultschen Diskursbegriff, der sich im ganzen Buch – durchgängig aus ideologiekritischer Perspektive verfasst – nicht mehr wieder findet. Generell liegen die Stärken des Buches eher in den empirisch als in den theoretisch orientierten Teilen. Kapitel II bietet einen sehr brauchbaren, kurz gefassten Überblick über unterschiedliche Rassismus-Theorien, doch bleibt deren Diskussion – wohl auch aufgrund der Fülle der behandelten Ansätze – eher oberflächlich. Gar nicht beleuchtet wird der im Titel genannte Begriff „Identitätspolitik“, dessen einschränkende Bedeutung für die vorliegende Studie sich mir auch im Lauf der Lektüre nicht erschlossen hat. Zwar spielt die „Naturalisierung des Kulturellen“ im aktuellen Neorassismus für Klammers Analyse eine zentrale Rolle, doch beschränkt diese sich keineswegs darauf. Die Autorin geht an vielen Stellen der Frage nach, welche Funktionen bestimmte Fremdbilder übernehmen können und behandelt dabei Politikbereiche, die über „Identitätspolitik“ (jedenfalls wie ich sie verstehe) hinausgehen.

Im dritten Abschnitt wird Imaginationen des Untergangs – der Titel spielt auf die rechtsextreme „Angstlust“ an Untergangsszenarien an – erst richtig spannend: Hier kontextualisiert Klammer ihre Untersuchung entlang dreier Achsen: Erstens diskutiert sie Ergebnisse von Meinungsumfragen zu antimuslimischen Ressentiments; zweitens bettet sie ihre Untersuchung in eine breite Diskussion der – ausgesprochen vielgestaltigen – Islambilder der extremen Rechten im Postnazismus ein; und drittens führt sie die Debatte um Begrifflichkeiten zwischen „Extremismus“, „Populismus“ und „Neuer Rechter“. Besonders der zweite Teil, der nicht zuletzt versucht, das Verhältnis von Antisemitismus und antimuslimischen Ressentiments für die/in der extremen Rechten zu bestimmen, birgt einiges Futter für politische Diskussionen. Hier macht sich die von der Autorin stark gemachte Unterscheidung zwischen Haltungen zum Islam und antimuslimischem Rassismus bezahlt, die es erlaubt, die Gleichzeitigkeit von Hass und Faszination zu fassen, die viele rechtsextreme Positionen kennzeichnet. Im letzten Teil präsentiert die Autorin schließlich die Ergebnisse der Textanalyse, die sie vor allem entlang des Rekurses auf das „Abendland“ einerseits und auf „Frauenrechte“ andererseits aufschlüsselt. In Bezug auf letztere kann Klammer überzeugend zeigen, welchen Gewinn eine (queer-)feministische Verortung rassismuskritischer Forschungen bedeutet: Es gelingt ihr, anschaulich zu machen, wie antimuslimisch-rassistische Überlegungen zur Bevölkerungspolitik stets auch in anti-feministischen Überzeugungen wurzeln, die eine Emanzipation von Frauen gerade dort hintertreiben, wo sie sie scheinbar verteidigen.

Imaginationen des Untergangs kann jedenfalls als Beispiel einer streitbaren und politisch relevanten Wissenschaft empfohlen werden und ist gerade dort spannend, wo es die Leser_in zum Widerspruch reizt.

Carina Klammer: Imaginationen des Untergangs. Zur Konstruktion antimuslimischer Fremdbilder im Rahmen der Identitätspolitik der FPÖ. Wien: Lit Verlag 2013

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