Grundeinkommen. Soziale Sicherheit ohne Arbeit

„Was wollen wir denn eigentlich produzieren und wie soll dies geschehen?“ –, im Sinne der Frage nach dem guten Leben aller und dem dafür Notwendigen. So steht es im Vorspann eines Sammelbandes zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE).

Wir müssen unserer Meinung nach neu darüber nachdenken, was wir, wie wir und unter welchen Bedingungen wir produzieren wollen“, lautete eine in der deutschen Erwerbslosenbewegung zentrale Forderung für die Existenzgeld-Debatte, welche 1982 im Rahmen des „1. Arbeitslosenkongresses“ in Frankfurt am Main artikuliert wurde. 25 Jahre später findet sich eine ähnliche Formulierung – „Was wollen wir denn eigentlich produzieren und wie soll dies geschehen?“ –, im Sinne der Frage nach dem guten Leben aller und dem dafür Notwendigen, im Vorspann eines Sammelbandes zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE).

Eigentlich paradox, möchte man meinen, zielt die Forderung nach Existenzgeld bzw. BGE doch gerade nicht auf die hier thematisierte Produktions-, sondern vielmehr auf die Verteilungssphäre. Vielleicht liegt aber gerade in diesem vermeintlichen Widerspruch – dass nämlich im Zuge der Debatte um eine umverteilungspolitische Maßnahme grund- sätzlichere Fragen nach der Organisation gesellschaftlichen Lebens und Wirtschaftens artikuliert werden – der „emanzipatorische Kern“ der Diskussion. Und zwar insofern, als hier die „Macht des Faktischen“ mit dem (möglicherweise) Möglichen konfrontiert wird, was fast schon zwangsläufig „utopische Überschüsse“ freisetzt. So betrachtet, wundert es nicht, dass in der Diskussion um das BGE immer auch ein Stück weit alternative Gesellschaftsentwürfe mitverhandelt werden.

Nur folgerichtig also die Entscheidung der HerausgeberInnen des vorliegenden Sammelbands, die Debatte explizit auf besagte Fragestellung hin zu fokussieren; und erfreulich auch der Umstand, dem ganzen eine klare Definition des BGE voran zu stellen, zeichnet sich der Begriff doch selbst in einschlägigen Foren durch mangelnde Trennschärfe aus.

Schade nur, dass ein Gutteil der Beiträge sich weder an der angesprochenen Fokusierung noch an der vorgegebenen Definition orientiert, welche vor allem die Bedingungslosigkeit des BGE sowie die darüber zu ermöglichende materielle und soziale Teilhabe betont. Letzten Endes finden sich so mitunter selbst restriktivste Modelle von Grundsicherung unter die Kategorie BGE subsumiert und anstelle des Möglichen wird mal wieder Faktisches (Arbeitslosenzahlen, Armutsraten usw.) als Argument für die vermeintlich notwendige Entkoppelung von Arbeit und Einkommen ins Feld geführt. Gerade so, als würden die „sozialpolitischen Zeichen der Zeit“ nicht samt und sonders in die entgegengesetzte Richtung weisen.

Begründet ist dieser Umstand zum Teil in der Entscheidung der HerausgeberInnen, das Konzept BGE auf die unterschiedlichsten Facetten hin zu durchleuchten, weshalb sich einige Beiträge mit explizit „realpolitischen Fragen“, etwa nach der Höhe der Transferzahlungen oder nach deren Auswirkungen auf das Lohnniveau, auseinandersetzen. Zum Teil resultiert er aber wohl auch aus ihrem Ansinnen, verschiedenste und mitunter durchaus widersprüchliche (politische, theoretische usw.) Ansätze aus der BGE-Debatte miteinander in Diskussion zu bringen. Wobei gerade in dieser Heterogenität der Standpunkte und Fragestellungen auch eine der Stärken des Buches liegt, gewährt es darüber doch einen umfassenden Überblick über das Feld, seine Widersprüche und Konvergenzen. Wer eben danach sucht, wird im vorliegenden Sammelband deshalb, trotz vereinzelter Schwachstellen bspw. die geschlechter- und migrationspolitischen Aspekte des BGE-Diskurses betreffend, bestimmt fündig werden.

Exner Andreas, Rätz Werner, Zenker Birgit (Hg.): Grundeinkommen. Soziale Sicherheit ohne Arbeit Wien: Deuticke 2007

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