„... die Reihen dicht geschlossen“

Populismus – des Rechtsextremismus neue Kleider

Der folgende Beitrag soll sich dem Verhältnis von Rechtsextremismus und politischem Mainstream in Österreich widmen – ein voraussetzungsvolles Thema, verlangt es doch von vornherein mindestens zwei begriffliche Klärungen: Was ist mit „Rechtsextremismus“ gemeint? Und wer oder was ist dieser „Mainstream“?

Radikalisierte Mitte
In den letzten Monaten wurde die Kritik am Extremismusbegriff – und damit auch am Konzept „Rechtsextremismus“ unter antifaschistischen Aktivist_innen – (wieder) lauter. Unter anderem INEX, die „Initiative gegen jeden Extremismusbegriff“[1], möchte den Begriff aus dem analytischen Arsenal linker Antifaschist_innen gestrichen wissen: Das Konzept des „Extremismus“ mit seiner (zumindest impliziten) Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus, seiner Staatszentriertheit und der Glorifizierung von Verfassung und repräsentativen Demokratie sei einer kritischen Analyse abträglich und verdecke die in der vielzitierten „Mitte der Gesellschaft“ liegenden Ursprünge von Rassismus, Antisemitismus, Faschismus und Neonazismus – so die (hier grob verkürzt dargestellten) zentralen Kritikpunkte.

Diese Kritik ist nicht falsch; tatsächlich lassen sich viele Beispiele für eine totalitarismustheoretische Fassung des Extremismusbegriffs und ihre – gelinde gesagt – problematischen Konsequenzen finden. Wenn in diesem Text in weiterer Folge dennoch von Rechtsextremismus die Rede sein wird, so folgt dieser Begriff einer anderen, nämlich inhaltlichen Logik. Rechtsextremismus wird in Anlehnung an die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs als „militante Steigerungsform der zentralen Werte und Ideologien spätbürgerlicher Gesellschaften“ (Schiedel 2007: 24) verstanden, deren Kern der Glaube an die (vermeintlich natürlich vorgegebene und gleichzeitig stets politisch durchzusetzende) Ungleichheit der Menschen bildet. Inhaltlich gefüllt wird diese Ungleichheitsideologie in erster Linie durch Antisemitismus und Rassismus, den damit verbundenen Nationalismus sowie einen strikten Geschlechterdualismus. Die rechtsextreme Ablehnung von Verfassung, Rechtsstaat und Demokratie muss vor diesem Hintergrund verstanden werden – sie kann nicht als Feindschaft gegen den Nationalstaat als politischer Organisationsform, sondern ausschließlich gegen dessen egalitäre und liberale Momente begriffen werden.

Aus pragmatischen Gründen wurde für den vorliegenden Beitrag ein enger Blickwinkel gewählt, der sich ganz auf das Feld der Partei- und Regierungspolitik konzentriert. Im Fokus steht die Frage, wie die (angebliche) politische „Mitte“ auf den Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus seit den späten 1980er Jahren reagierte. Wie positionierte sie sich gegenüber dessen Forderungen und Strategien?

Populismus – des Rechtsextremismus neue Kleider
Versuchen wir diese Fragen zunächst am Beispiel Rassismus zu stellen, dann drängt sich ein Rückblick in die frühen 1990er Jahre auf: Auf internationaler Ebene markierten das Ende des realexistierenden Sozialismus, die Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ und die damit verbundene paranoide Vorstellung von „Millionen“ potenzieller MigrantInnen die wesentlichsten Umbrüche. In Österreich begann zu dieser Zeit die Veränderung und Verschärfung der Asylpolitik, die immer deutlicher einem diffusen Sicherheitsdiskurs untergeordnet wurde, und der Zuwanderungspolitik, wo sich der Fokus der Regulierungen vom Arbeitsmarkt auf Grenz- und Aufenthaltsfragen verschob und damit Kompetenzen vom Sozial- zum Innenministerium wanderten. Es ist hier nicht der Raum um auf alle Erschwernisse einzugehen, die die damals geschaffenen Gesetze (Asylgesetz 1991, Aufenthaltsgesetz, Fremdengesetz) für so genannte „Fremde“ bedeuteten. Wichtig ist, dass damit neben dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, das seit 1976 den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt beschränkte, ein paralleles Quoten-System zur Regulierung von Aufenthaltstiteln etabliert wurde, das die Zuwanderung stark erschwerte und neue massive Unsicherheiten für bereits in Österreich Lebende bedeutete. Nicht zuletzt drängten die neuen Gesetze quasi über Nacht hunderte Menschen in die Illegalität. FPÖ-Chef Haider bezeichnete damals nicht zufällig Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) als seinen „besten Mann in der Regierung“.

In den frühen 1990er Jahren begann aber auch eine strategische Neuausrichtung der FPÖ, die sich nun anschickte, zusätzlich zu ihrem traditionellen Klientel – dem deutschnationalen Bodensatz und einigen versprengten Liberalen – für breite Bevölkerungsschichten als Wahlalternative zu erscheinen. Diese neue, „populistische“ Ausrichtung der FPÖ (die allzu oft mit ihrer ideologischen Basis verwechselt wird) zeichnet sich durch den rhetorischen Bezug auf die „kleinen Leute“ aus, denen die Feindbilder von „denen da oben“ (Politiker_innen, „Altparteien“...) und „denen da unten“ (Migrant_innen, Asylwerber_innen, Sozialhilfebezieher_innen ...) geboten wurden (zu Strategie und Rhetorik der FPÖ vgl. Ottomeyer 2000; Reinfeldt 2000). Gleichzeitig wurden – potenziell problematische, da nicht unumschränkt konsensfähige – Aspekte der FPÖ-Ideologie zurückgenommen. Der traditionelle Deutschnationalismus etwa trat hinter vordergründig „österreichpatriotische“ Parolen zurück, die jedoch inhaltlich – etwa in der Definition eines völkisch/ethnisch gedachten Kollektivs, das von „außen“ durch Migration, wie von „innen“ durch verräterische Politiker_innen, „schmarotzende“ Arme und „nestbeschmutzende“ Intellektuelle bedroht würde – an ältere Positionen anschlussfähig blieben.

Vor diesem Hintergrund muss auch die Kampagne zum „Anti-Ausländer-Volksbegehren“ der FPÖ unter dem Titel Österreich zuerst (Herbst/Winter 1992/93) verstanden werden, die nicht nur zur Verschärfung des rassistischen Diskurses beitrug, sondern auch den Boden für weitere Reformen des Fremdenrechts und damit für die Verschlechterung der rechtlichen Situation von Nicht-Staatsbürger_innen bereitete. Bezeichnend für den Erfolg dieser Strategie ist die Karriere des populistischen Arguments, wonach „die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernstzunehmen“ seien, das heute in allen migrationspolitischen Debatten als zentrales Vehikel für den Transport rassistischer Positionen dient. Inhaltlich unbestimmt – und daher rational nicht zu widerlegen – wird so ein Widerspruch zwischen den Interessen von Migrant_innen und jenen „der Bevölkerung“ konstruiert und KritikerInnen der rassistischen Politik unterstellt, sie würden gegen letztere agieren. Eine Analyse der Parlamentsdiskussionen zur EU-Erweiterung 2004 und den so genannten Übergangsbestimmungen, die die Abschottung des Arbeitsmarktes für „neue“ EU-Bürger_innen ermöglichten, ergab, dass sich ausnahmslos alle Parteien auf diese vermeintlichen „Sorgen und Ängste“ bezogen – unabhängig davon, wie sie zu den konkreten Regulierungsvorschlägen standen (Mayer/Spång 2009). In einem solchen Setting hat rassistische Politik keinen ernsthaften Widerspruch mehr zu befürchten, weil sich alle Akteur_innen auf einen implizit nationalistischen und rassistischen Rahmen beziehen.

Geschichtspolitik – ein Schulterschluss
Neben der rassistischen und antisemitischen Hetze ist die Geschichtspolitik ein weiteres zentrales Feld rechtsextremer Ideologie in Österreich, in dem sich das Ineinandergreifen von „Österreichpatriotismus“ und Deutschnationalismus besonders deutlich zeigt. Ein Beispiel dafür ist die Debatte um die so genannten „Vertriebenen“, also die 1945/46 aus der Tschechischen Republik ausgesiedelten Deutschsprachigen, die nach dem Antritt der blau-schwarzen Regierung (und im Zusammenhang mit der Anti-Temelín-Kampagne) einen Höhepunkt erlebte. Es ist hier weder der Ort, um auf die Untiefen der Debatte um das „Tote Unrecht“ (Andreas Khol) der anti-nationalsozialistischen Gesetzgebung im Tschechien der Kriegs- und Nachkriegszeit einzugehen (vgl. dazu Mayer 2009), noch können die Hintergründe des doppelbödigen Verhältnisses Österreichs zu seiner Geschichte – die erst das erfolgreiche Lavieren der FPÖ zwischen Deutsch- und Österreichnationalismus erlauben – angeführt werden. Für die Durchsetzung rechtsextremer Argumentationsmuster bietet die Debatte um die so genannten „Benesˇ-Dekrete“ allerdings eindrückliches Anschauungsmaterial: Einer Koalition aus Vertriebenenverbänden, der FPÖ und wesentlichen Teilen der ÖVP gelang es im Vorfeld des tschechischen EU-Beitritts, nicht nur das Thema auf die politische Agenda zu setzen, sondern viel weiter gehenden Einfluss auf den Diskurs zu gewinnen. Gegen die historische Wahrheit wurden von dieser Koalition „die Menschenrechte“ in Anschlag gebracht, mit denen die tschechische Gesetzgebung nicht vereinbar sei. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich dabei um eine nicht zulässige Projektion späterer rechtlicher Standards in die Vergangenheit handelte (und erst recht ohne Bezug auf die historische Kausalität von NS-Herrschaft und Aussiedlungspolitik), konnte damit ein anti-tschechischer Konsens weit über das rechte Lager hinaus geschaffen werden. Kritik wurde so von vornherein unterbunden – kaum jemand wollte das Risiko eingehen, als Feind_in der Menschenrechte zu erscheinen, sodass völkische, traditionell deutschnationale Deutungsmuster unangefochten die politische und mediale Bühne beherrschten; zum Teil wurde mit Bezug auf den angeblichen „altösterreichischen“ Hintergrund der deutschsprachigen Tschech_innen auch der Österreichnationalismus an Bord geholt. Besser als durch jede Beschwörung der nationalen Einheit im Zuge der EU-Maßnahmen gelang so der vielzitierte „Schulterschluss“.

Erklärungen für die Akzeptanz und stellenweise Hegemonie rechtsextremer Deutungs- und Argumentationsmuster in der österreichischen Politik lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen – vom verlogenen Umgang mit dem Nationalsozialismus bis hin zu koalitionstaktischen Erwägungen – finden. Eine andere – wenig thematisierte – Ebene ist das österreichische Verständnis von „Antifaschismus“, das sich traditionell durch seine legalistische und formalistische Schlagseite „auszeichnet“. Nur so ist zu erklären, dass substanzlose Wortspenden wie die Regierungspräambel 2000 oder jüngst Rosenkranz’ eidesstattliche Erklärung hierzulande als Ausweis der Zugehörigkeit zur „Mitte“ gelten. Wo nicht überhaupt alles diesseits des NS-Verbotsgesetz als unproblematisch betrachtet wird, herrscht ein Verständnis vor, das nur den klassischen – dem Staat Österreich feindlich gesinnten – Deutschnationalismus als Rechtsextremismus erkennen will. Gegenüber der Doppelstrategie eines Rechtsextremismus, der traditionelle völkische Ideologie im Gewand von Populismus und Österreichpatriotismus präsentiert, bleibt ein so verstandener „Antifaschismus“ wirkungslos. Solange Rechtsextremismus nicht als Problem der „Mitte“ verstanden, sondern an den Rändern der Gesellschaft verortet wird, wird sich daran auch nichts ändern.

[1] siehe: inex.blogsport.de

Literatur
Mayer, Stefanie (2009): „Totes Unrecht“? Die „Benesˇ- Dekrete“ – eine geschichtspolitische Debatte in Österreich. Peter Lang Verlag, Frankfurt.

Mayer, Stefanie/Spång, Mikael (2009): Debating Migration. Political Discourses on Labor Immigration in Historical Perspective. StudienVerlag, Innsbruck/Bozen/Wien.

Ottomeyer, Klaus (2000): Die Haider-Show. Zur Psychopolitik der FPÖ. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec.

Reinfeldt, Sebastian (2000): Nicht-wir und Die-da. Studien zum rechten Populismus. Braumüller, Wien.

Schiedel, Heribert (2007): Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft. Edition Steinbauer, Wien.

Stefanie Mayer
lebt und arbeitet als Politikwissenschafterin und politische Aktivistin in Wien.

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