Bukarest Biennale, dritte Ausgabe. Ein grober Überblick

Ich verfolge einen Großteil dieser Biennalen, Manifestas und Documentas und schreibe über deren Logik des Ausstellens und über die finanziellen, machtpolitischen und organisatorischen Strukturen, die sie unumkehrbar definieren. Ich stelle fest, wie jede dieser Manifestationen die paradoxe Situation einer Gegenwartskunst vorführt, die von Privatisierungsprozessen, Bürokratisierung und einer auferlegten Logik des Konsums gekidnappt wird.

Meine Beziehung zur diesjährigen Bukarest-Biennale ist eine weitaus engere als die der bereits kontaminierten Kritikerin derartiger Events: Die StudentInnen der Klasse für Post Conceptual Art Practices an der Akademie der bildenden Künste in Wien, deren Professorin ich bin, waren eingeladen worden, am Begleitprogramm der Biennale teilzunehmen. Grundidee unseres Projekts war die einer weitergehenden konzeptuellen Intervention. Uns war klar, wie schnell unser Besuch in eine dieser klassisch-schicken StudentInnenreisen ausarten könnte, daher hatten wir ein Buchprojekt mit dem Titel „Are you talking to me? Discussions on knowledge production, gender politics and feminist strategies“ eingereicht. Das Buch wurde von Katharina Morawek, einer Studentin meiner Klasse, konzipiert und von ihr und der feministischen Künstlerinnengruppe h.arta group aus Timisoara, bei der sie Mitglied ist, herausgegeben.

Ich verfolge einen Großteil dieser Biennalen, Manifestas und Documentas und schreibe über deren Logik des Ausstellens und über die finanziellen, machtpolitischen und organisatorischen Strukturen, die sie unumkehrbar definieren. Ich stelle fest, wie jede dieser Manifestationen die paradoxe Situation einer Gegenwartskunst vorführt, die von Privatisierungsprozessen, Bürokratisierung und einer auferlegten Logik des Konsums gekidnappt wird. Alles ist möglich – solange es Geld bringt und die Depolitisierung der Kunst, die schicke Logik der „großen Tour“ nicht stört. Die BB3 ist bereits Teil dieses sich weltweit bietenden Bildes, obwohl noch eine winzige Chance besteht, dass zukünftige Bukarest-Biennalen eine Umleitung um das auf obszöne Weise normal gewordene Unvermögen der zeitgenössischen Kunst nehmen.

Obwohl also die BB3 an und für sich ein problematisches Setting darstellte, bot sie am Ende eine interessante Plattform für eine Intervention in den rumänischen Kontext über die Fragestellung, wie Feminismus, Erkenntnis und Malestreaming (nicht Mainstreaming!) genau hier funktionieren. Die erste Bukarest-Biennale 2004 wurde von den Direktoren Razvan Ion und Eugen Radescu konzipiert (letzterer war auch ihr erster Kurator). Ihnen folgte 2006 der Ungar Zsolt Petrány als Kurator, heuer waren es Jan-Erik Lundström und Johan Sjöström aus Schweden. Wenn wir nun bedenken, dass auch die vierte Auflage von einem Mann kuratiert werden soll und in dem Wissen, dass generell alle der sich im Übergang befindlichen Ex-Osteuropa-Staaten nach wie vor schamlos chauvinistische und sexistische Muster zur Schau stellen und reproduzieren, ist das ein Problem. Selbst der erste Direktor, Eugen Radescu, berichtete, anfangs heftig angegriffen worden zu sein – fast ausschließlich handelte es sich um sexuelle Diskriminierungen. Er und Ion sind Teil der Gay Community, die – wie lesbische Frauen – schon unter Ceausescu Ziel gewaltsamer Attacken war und es heute noch ist. Die jährliche Lesben- und Schwulenparade, die mit der ersten Woche der BB3 zusammenfiel (von der aus es keine Anknüpfungsversuche gab), musste unter Polizeieinsatz gegen die homophoben und aggressiv faschistischen, vorgeblich „normalen“ Rumänen geschützt werden. Es ist meines Erachtens hochproblematisch, wenn eine Biennale, die Alternativen zum Kanon zeitgenössischer Kunst propagieren will und von emanzipatorischen Tendenzen redet, diesen Punkt nicht reflektiert.

Befremdlich war dann das Aufscheinen dieser offen diskriminatorischen öffentlichen Praxis, die sich gegen Homosexuelle, aber auch gegen die größte nationale Minderheit der Roma richtet, auf der BB3 selbst. Im Katalog fand sich die herabsetzende und diskriminierende Übersetzung des Wortes „Roma“ als rumänisch: „Cigani“. Als Eduard Freudmann und Can Gülcü im Rahmen ihres Projekts Roma settlement Gazela in Belgrade diesen offensichtlichen Fall von Rassismus kritisierten, fühlte sich das Direktorium nicht einmal zu einer offiziellen Entschuldigung bemüßigt.

Es sollte also zu denken geben, dass die Biennale-Szene ihr Vertrauen ausschließlich in männliche Kuratoren setzt, während sie rassistische Vorurteile so leicht übersieht. Genauso bedenklich ist die Präsenz der üblichen Verdächtigen der Gegenwartskunst – von der multinationalen Bank bis zur Schnapsfabrik. Es stimmt, dass es kaum noch möglich ist, ein Projekt zu organisieren, ohne dabei von Sponsoren abhängig zu sein. Aber wenn diese Investoren wirklich nichts im Gegenzug verlangen (vorläufig nichts, wäre meine Anmerkung), wie es auf der Pressekonferenz des Direktoriums hieß, warum gibt die Bukarest-Biennale dann ihre konzeptuellen und (alternativen) politischen Wurzeln so schnell preis? Von mal zu mal wurden kuratorische Grundsätze, wurde die Anbindung an Szenen vor Ort und ein weiterer sozialer Bezug unwichtiger.

Ich habe den Eindruck, dass die rumänische Gesellschaft sich immer offensichtlicher in zwei Teile spaltet. Da ist die ebenso angesagte wie inhaltsleere Führungsriege, die neuen Reichen und die gegenüber der EU-Bürokratie unterwürfige politische Klasse und anderseits die Masse der Bevölkerung, inmitten von Schund, Gedrängtheit, Armut. Die Kunstwelt in Rumänien tendiert klar in Richtung angesagt, inhaltsleer, luxuriös. Das Ergebnis sind Menschen und Institutionen, die neoliberale Managementlogik mit einer zynischen Grundhaltung verquicken. Die Auswirkungen sind katastrophal, weil neoliberale Mechanismen zu den wichtigsten Regulativen von Institutionen und Projekten werden und nicht zuletzt zu Regulativen des sozialen wie politischen Lebens. Die Bukarest-Biennale sollte diese Situation hinterfragen und sich so neue Möglichkeiten erschließen.

Übersetzung aus dem Englischen: Patricia Köstring

Marina Gržinić lebt in Ljubljana. Sie ist Professorin für Konzeptuelle Kunst an der Akademie der bildenden Künste Wien. Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Neuen Medien und Technologien; Theorie der Virtualität und des Cyber-Soace; Philosophie und Politik in der Postmoderne.

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