kulturrisse 04/07

Die von EU, IWF und Weltbank forcierte Privatisierung in Osteuropa, die österreichischen Unternehmen sehr zugute kommt, kommt auch im Kulturbereich zum Tragen. Hier sind es weniger der Druck von außen als hauptsächlich interne Faktoren, die zu staatlicher Zurückhaltung führen: Die propagandistische Instrumentalisierung der Kulturpolitik im Realsozialismus hat große Vorbehalte gegenüber staatlicher Kulturpolitik hinterlassen.
In einem Großteil der osteuropäischen Länder wurde die Nomenklatura nicht gestürzt, sondern sie hat scheinheilig die Macht übergeben. An wen hat sie sie übergeben? An sich selbst, nur unter einem anderen Namen. Und dieser Name, dessen sie sich künftig bediente und nach wie vor bedient, heißt Nationalismus.
In der Stunde der Jahresbilanz preisen sich westliche Unternehmen mit den Gewinnen im postsozialistischen „Osten“. Die Wirtschaftsnachrichten lesen sich wie ein neues Genre, eine Schwindel erregende Kreuzung zwischen Krimi und Propagandabroschüre, in dem vor allem klassisch orientalistische Zuschreibungen ihr Revival feiern. „Der Osten“ „selbst“ darf bei denselben Veranstaltungen, Zeitungsartikeln und Nachrichten höchstens in der pseudoambivalenten Koppelung von Mangel und Überfluss vorkommen.
Der Übergangsprozess wird dementsprechend als Normalisierungsprozess begriffen. Damit gewinnt alles, was sich während dieses Prozesses ereignet, automatisch den mit der Übergangserzählung eigentlich verknüpften teleologischen Sinn. Das schließt auch die Logik mit ein, dass die Dinge, bevor sie besser – normal, kapitalistisch, demokratisch usw. – werden, zuerst schlechter werden müssen im Vergleich zur vorherigen Situation.
Es wird immer schwieriger, eine Niederlassungsbewilligung zu bekommen. Die juridischen Bestimmungen überschneiden einander und jeder Antrag ist ein Einzelfall. Nicht zuletzt aus diesem Grund existiert in Frankreich eine Vielzahl an Vereinen, die MigrantInnen auf ihren Amtswegen unterstützen und die sich für die Einhaltung ihrer Rechte einsetzen.
Bald zwanzig Jahre Wende. Ein Lehrstück darüber, wie das Versprechen der Demokratisierung in den Abbau sozialer Errungenschaften und die Schaffung wirtschaftlicher Abhängigkeiten umgewandelt werden kann? Als Transition beschrieben, als gewaltlose Umgestaltung des Systems, lassen diese Begriffe Realitäten nur in dem vorgeformten Korsett von spezifischen Selektionen und Konstruktionen zum Ausdruck kommen. Täglich wird in mehrdeutiger Sprache der Bedürftigkeitsdiskurs neu hergestellt und zugleich Gewinnmaximierung im Framing einer Entwicklungshilfe für Osteuropa verhandelt.