Aus nächster Nähe fern. Ein Rückblick auf drei Jahrzehnte nicht verwirklichter gewerkschaftlicher Autorenorganisation in Österreich

Erich Fried war es nicht vergönnt, Marie-Thérèse Kerschbaumer nicht, Arthur West nicht und auch nicht Autoren wie Hans Weigel oder Matthias Mander, in denen sicher niemand die Verfechter der sozialen Einstufung von Schriftstellern als "unselbständige Erwerbstätige" und eines Beitritts zur Gewerkschaft vermutet hätte: Die Tür zur Gewerkschaft Kunst, Medien, freie Berufe (KMfB) war und blieb für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, trotz ihres Votums für einen Gewerkschaftsbeitritt beim "Ersten österreichischen Schriftstellerkongreß" 1981, fest verschlossen.

Erich Fried war es nicht vergönnt, Marie-Thérèse Kerschbaumer nicht, Arthur West nicht und auch nicht Autoren wie Hans Weigel oder Matthias Mander, in denen sicher niemand die Verfechter der sozialen Einstufung von Schriftstellern als "unselbständige Erwerbstätige" und eines Beitritts zur Gewerkschaft vermutet hätte: Die Tür zur Gewerkschaft Kunst, Medien, freie Berufe (KMfB) war und blieb für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, trotz ihres Votums für einen Gewerkschaftsbeitritt beim "Ersten österreichischen Schriftstellerkongreß" 1981, fest verschlossen.

Mehr noch, statt sich direkt mit der Forderung der Öffnung der Gewerkschaft für rechtlich zwar selbständige, de facto aber unselbständige Künstlerberufsgruppen auseinanderzusetzen, ließ der damalige Zentralsekretär der KMfB, Josef Schweinzer, in der nur Gewerkschaftsmitgliedern zugänglichen Zeitschrift "kmfb" den gewerkschaftlich organisationswilligen Schriftstellerinnen und Schriftstellern die Unmöglichkeit ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit ausrichten: "Wenn der Schriftsteller zu Hause seine Gedichte oder Romane verfaßt und sie dann über einen Verleger auf den Markt bringt, der Verleger diese schriftlichen Ergüsse akzeptiert und sie in Buchform auf den Markt bringt, so ist der Schriftsteller deswegen meist nicht Angestellter oder Dienstnehmer des Verlags. Da in den Statuten des Gewerkschaftsbundes steht, daß nur unselbständige Erwerbstätige, Beamte und Lehrlinge Mitglied sein können, können Schriftsteller nicht in der Gewerkschaft organisiert sein." ("kmfb" Nr. 12/1981)

Weniger das ÖGB-Statut, das ab 1983 auch den Beitritt "der in Kultur, Kunst und Medien abhängig freiberuflich Schaffenden" ermöglicht hätte, stand dem weiteren gewerkschaftlichen Organisationswillen der Schriftsteller im Weg, als vielmehr die gewerkschaftliche Vorstellung von schriftstellerischer Tätigkeit in einer Gewerkschaft, die sich für Kunst, Medien und freie Berufe zuständig fühlte, die "freien Berufe" sogar in ihrem Namen führte, aber den Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die ihrer literarischen Arbeit ausschließlich freiberuflich nachgehen konnten, mit dem Hinweis auf ein ohnehin nicht allzu ernstgenommenes Tun die Tür wies.

Noch erschütternder war, daß die längst erfolgte gewerkschaftlichliche Einbindung der Autorinnen und Autoren in Deutschland und die gewerkschaftlich orientierten österreichischen Initiativen der "Literaturproduzenten" und des von Andreas Okopenko betreuten "Situationskollektivs" seit Anfang der 70er Jahre an der für Kunst, Medien und freie Berufe zuständigen Gewerkschaft spurlos vorübergegangen waren.

"Österreichisch gelöst" sollte daher eine bei der Gewerkschaft für Kunst, Medien und freie Berufe angesiedelte "Künstlerunion" die Interessen der nicht mitgliedsfähigen Künstlerinnen und Künstler mitvertreten. Und sogleich ging man ans Werk. Der Sozialminister wurde eingeladen, um einen mit der Gewerkschaft ausgehandelten fertigen Entwurf einer Künstler-Sozialversicherung vorzustellen, und wären nicht wenigstens ein paar Verdacht schöpfende Künstlerinnen und Künstler anwesend gewesen, gäbe es überhaupt nur ein selbst finanziertes Künstler-Sozialversicherungselend statt des erst vor rund eineinhalb Jahren in Kraft getretenen späten Sozialversicherungsglücks, das den inzwischen zu "Neuen Selbständigen" mutierten Künstlerinnen und Künstlern mit Zuschüssen zu ihren Sozialversicherungsbeiträgen winkt.

Erich Fried könnte nicht mehr, Marie-Thérèse Kerschbaumer könnte noch, Arthur West und Hans Weigel könnten nicht mehr, Matthias Mander könnte noch, aber für kaum eine österreichische Schriftstellerin oder einen österreichischen Schriftsteller gibt es heute einen Grund, einen Antrag bei einem Schriftstellerkongreß oder bei einer Generalversammlung einer Schriftstellervereinigung für einen Gewerkschaftsbeitritt zu stellen. Und würde er gestellt, wären seine Aussichten auf Zustimmung äußerst gering.

Der klare Trennstrich, der Anfang der 80er Jahre zwischen einer eigenständigen vereinsrechtlichen und der möglichen gewerkschaftlichen Interessenvertretung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern durch die Gewerkschaft gezogen wurde, ist gezogen geblieben, daran ändern auch gelegentlich wie in der Künstlersozialversicherungsfrage eingegangene Allianzen nichts. Im Zweifelsfall wird die Gewerkschaft die staatstragende Einigung mit der Regierung suchen und werden die inzwischen in allen Kunstsparten entstandenen Berufs- und Interessenvertretungen auf sich selbst angewiesen bleiben. So ist die inzwischen um Sportler erweiterte Kunst- und Mediengewerkschaft in keiner einzigen die Kunst berührenden Frage der jetzigen Legislaturperiode auf die Berufs- und Interessenverbände der Kunst und Kultur zugegangen, um beispielsweise deren Standpunkte in Medienfragen kennenzulernen und gemeinsame Interessen gegenüber den Regierungsabsichten zu vertreten, geschweige denn die Gewerkschaft bei irgendeiner einschneidenden Maßnahme der Regierung auf dem Sektor Kunst und Kultur mit einer Gegeninitiative aufgefallen.

Es muß ja nicht gleich jede Änderungsabsicht einer Regierung auf heftigen gewerkschaftlichen Widerstand stoßen, es würde mitunter schon genügen, etwas von gewerkschaftlichen Standpunkten zu hören, etwa zur Monopolisierung im Printmedienbereich oder zur Beschäftigungslage von Medienmitarbeitern und Künstlern oder zu Entwicklungen bei Verträgen und Honoraren. Vielleicht gibt es sogar welche, gewerkschaftliche Standpunkte nämlich, und vielleicht werden sie auch irgendwo bekanntgegeben. Nur wem? Den österreichischen Berufs- und Interessenverbänden der Kunst und Kultur jedenfalls nicht. Wieso sollten sie aber, wenn es sie gibt, denen, die sich interessieren und davon betroffen sein könnte, bekanntgegeben werden, wenn es der IG Autorinnen Autoren seit 1997 nicht einmal mehr gelingt, etwas über die zwischen der Gewerkschaft und dem ORF unter Ausschluß der Autorenöffentlichkeit jährlich neu ausverhandelten Mindesthonorartarife für Autorenleistungen zu erfahren? Um diese Informationen Mitgliedern vorzubehalten, die davon ohnehin nicht betroffen sind?

Worin die 1983 erfolgte Öffnung der Gewerkschaft für Künstler aller Sparten und aller Beschäftigungsverhältnisse und deren Interessenlagen bestehen soll, läßt sich daher nur in Erinnerung rufen, nicht aber anhand von konkreten aktuellen Beispielen belegen:

"Zu der mir übersandten Kopie des Schreibens an den Vorsitzenden der Gewerkschaft KMfB vom 19. 10. 1983 darf ich Ihnen als vom Gewerkschaftspräsidium beauftragtes Präsidiumsmitglied und stellvertretender Gewerkschaftsvorsitzender die folgende Stellungnahme zukommen lassen.
Die am 17.10.1983 vom Gewerkschaftsvorsitzenden im Gespräch mit Vertretern der IG Autoren getroffene Aussage, daß eine Aufnahme der Autoren in den ÖGB nunmehr möglich sei, beruht auf den Beschlüssen des Gewerkschaftspräsidiums, die ihrerseits auf Anträgen der Gewerkschaft KMfB an den 10. ÖGB-Bundeskongreß und insbesondere einer dort beschlossenen Änderung der Statuten des ÖGB beruhen. Die relevanten Wortlaute dieser Anträge bzw. Beschlüsse lege ich wunschgemäß bei.
'Kulturpolitik als wesentlicher Teil der Gewerkschaftspolitik gewinnt gerade im Zeitalter fortschreitender Technologien steigende Bedeutung für die Gewerkschaftsbewegung als Schutz und Entfaltung menschlicher Werte. Der ÖGB bekennt sich prinzipiell zum Öffentlichkeitscharakter von Kunst, Wissenschaft und Technologie.
Er tritt dafür ein, daß es zu keiner Monopolisierung von Expertenwissen durch zahlungskräftige Nachfrager kommt; daß die Wissenschaft und Technik zugunsten humaner Zielsetzungen in Dienst genommen wird; daß sie nicht zum Instrument der Unterdrückung und Vernichtung und zur Manipulation der öffentlichen Meinung umfunktioniert wird.
Eine offene und umfassende Kulturpolitik und eine offene und umfassende Beschäftigungspolitik ergänzen einander. Beide sind wesentliche Teile der Zielsetzungen des ÖGB. Die Grundlage hiefür bietet das bestehende ÖGB-Statut, das die gewerkschaftliche Organisation aller Arbeitnehmer einschließlich der in Kultur, Kunst und Medien abhängig freiberuflich Schaffenden ermöglicht.'" (Schreiben von Günther Nenning an die IG Autorinnen Autoren vom 14.11.1983)

Soweit der Stand der geänderten Beziehungen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes zu Künstlerinnen, Künstlern und Kunst nach dem ÖGB-Bundeskongress von 1983, die der ÖGB in seiner auf seiner Homepage schlagwortartig aufgezählten Entwicklungseschichte allerdings nicht erwähnt, dafür aber die "Verhinderung eines Meinungsmonopols in der Medienpolitik" (!) als einen seiner Beschlüsse anführt. Vielleicht erklärt das, warum seiner mit Medienfragen beschäftigten Gewerkschaft in den letzten 20 Jahren so wenig zum Thema Medienkonzentration eingefallen ist, weil sie sich ganz und gar darauf konzentriert hat, in der Medienpolitik das Meinungsmonopol zu verhindern, statt sich mit einer eigenen und der Meinungspolitik von anderen in der Medienmonopolfrage zu verzetteln.

Warum sich eine schlagwortartige Aufzählung der Gewerkschaftsgeschichte seit 1945 allerdings an die geschaffene Aufnahmemöglichkeit freiberuflicher Künstlerinnen und Künstler in seine dafür zuständige Gewerkschaft erinnern sollte, wenn diese Gewerkschaft als einzige Gewerkschaft der insgesamt 13 Einzelgewerkschaften des ÖGB auf ihrer Homepage mit keiner Einstiegsinformation über sich selbst aufwartet, sondern eine Schlagzeilenübersicht von pte.online - Pressetext Austria für sich sprechen läßt, beantwortet sich von selbst. Informationswillige und Beitrittshungrige erfahren zuerst alles über u.a. die "Ausschreibung des ORF-Werbehahns 2002", daß es "keine digitale Sat-Ausstrahlung der Fußball-WM" geben wird, über die "Beteiligungsabsichten von Banken an der Formel 1" oder das "Veranstaltungsprogramm des Vienna Austria Center" für den Rest des laufenden Jahres und das nächste Jahr, bevor sie am Seitenende kleingedruckt den Hinweis lesen können, daß es von dort weiter "zur KMSfB Homepage" geht, wo sich u.a. auch ein Nachrichtendienst über die Aktivitäten der Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe findet. Folgende verbreitenswerte Informationen über die Aktivitäten der Gewerkschaft von November 1999 bis Juni 2002 sind dort abzurufen: Drei Nachrichten über Initiativen, Tätigkeiten und Stellungnahmen aus den beiden verbleibenden Monaten des Jahres 1999, sieben Nachrichten aus dem Jahr 2000, vier aus dem Vorjahr und eine bisher einzige Nachricht aus dem Jahr 2002, mit der die Neugründung der Sektion "Kommunikation und Publizistik" bekannt gegeben wird, nachdem die Sektion Journalisten die Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe in Richtung Gewerkschaft Druck und Papier verlassen hat. Wenn es sich bei dieser Auflistung um die Höhepunkte der Arbeit der Gewerkschaft Kunst, Medien, Sport, freie Berufe in der aktuellen Legislaturperiode handeln sollte und damit ihr Engagement für die Anliegen der von ihr vertretenen Mitglieder und Berufsgruppen im Kunst-, Kultur-, Medien- und Sportbereich zum Ausdruck kommen soll, dann, liebe dort noch Verbliebene, gute Nacht:

"Kein Folgerecht - Schlag gegen Künstler" (über den Widerstand Großbritanniens gegen die Einführung des Folgerechts in der EU, November 1999)
"Kranker Fußball? - Sportärztliche Betreuung der Spieler muß verbessert werden" (November 1999)
"Memorandum der Gewerkschaft KMSfB an die künftige Bundesregierung" (Forderungen an die nicht zustandegekommene Fortsetzung der großen Koalition, Dezember 1999)

"Kündigungsgrund: Neue politische Situation" (zur Kündigung eines Nachrichten-Redakteurs, Februar 2000)
"Arbeitsplätze im Theater der Josefstadt gefährdet" (März 2000)
"Kultureller Kahlschlag findet statt. Hunderte Arbeitsplätze im Kulturbereich sind massiv bedroht" (zur Arbeitsplatzgefährdung in den Landestheatern, Juni 2000) Offener Brief an Bundeskanzler Dr. Schüssel (zur Arbeitsplatzgefährdung in den Landestheatern, Juni 2000)
Künstlersozialversicherungsgesetz, Entwurf (August 2000)
"Künstlersozialversicherung: Kein Anlaß zum Jubel" (November 2000)

"Erfolg für Gewerkschaften: Arbeitslosengeld wird nicht gesperrt!" (ÖGB-Initiative, November 2000)
"Gewerkschaft KMSfB bestellte geschäftsführenden Vorsitzenden" (Jänner 2001)
Offener Brief an Justizminister Dr. Böhmdorfer (Gemeinschaftsstellungnahme mit drei weiteren Einzelgewerkschaften zur Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit für investigativen Journalismus, Juni 2001)
"Wird Atypisch typisch? - Beratungs- und Forschungsprojekt" (über eine Beratungsinitiative des ÖGB und der AK zur Beschäftigungsentwicklung, November 2001)
"Die Sektion Film Foto Audiovisuelle Kommunikation protestiert in aller Schärfe gegen die im Gange befindliche Demontage des ORF" (Dezember 2001)
Aussendung der Sektion "Kommunikation und Publizsitik" (über die Neugründung einer Journalisten-Sektion in der KMSfB, März 2002)


Der Rest ist zum Glück nicht Schweigen, sondern in den Stellungnahmen der außerhalb der Gewerkschaft sowohl eigenständig als auch in einer gemeinsamen "Kulturpolitischen Kommission" organisierten Berufs- und Interessenverbände der Kunst und Kultur zu finden.

Gerhard Ruiss ist Autor, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren und Mitglied der Kulturpolitischen Kommission.

Ähnliche Artikel

Seit Anfang Februar ist es nun also geschnürt – jenes Sparpaket, mit dessen Hilfe die österreichische Bundesregierung die finanzpolitischen Folgen der seit 2008 manifesten Wirtschaftskrise mit Blick auf das Ziel eines „ausgeglichenen Staatshaushaltes“ zu meistern beabsichtigt.
Eine erfolgreiche Organisierung erfordern neue Formen der kollektiven Vertretung von ArbeitnehmerInneninteressen durch die Gewerkschaften, für die zumindest bis heute in Österreich keine politisch ähnlich einflussreiche Alternative existiert.
„Organize the Unorganized!“ – dieser Slogan der US-amerikanischen Gewerkschaftsreformbewegung bestimmt wie kaum ein anderer die aktuellen Debatten rund um die Frage der Möglichkeit einer gewerkschaftlichen Erneuerung. Die Brisanz des Themas selbst resultiert dabei aus dem Trend zur Auflösung gewerkschaftlicher Organisierung, der mit dem Prozess der Prekarisierung einhergeht.