Weltordnung, Kriege und Sicherheit.

Der Zürcher Widerspruch widmet sich in der aktuellen Ausgabe 53 dem – man möchte zynisch anmerken: stets aktuellen – Thema „Weltordnung, Kriege und Sicherheit“.

Der Zürcher Widerspruch widmet sich in der aktuellen Ausgabe 53 dem – man möchte zynisch anmerken: stets aktuellen – Thema „Weltordnung, Kriege und Sicherheit“. Dieses wird auf über 200 Seiten aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und in unterschiedlichen Textsorten verhandelt.

Den Hauptteil eröffnet Dieter Senghaas, der ein lesenswertes Korrektiv zu den prominenten Debatten um „Neue Kriege“ des 21. Jahrhunderts liefert, in denen scheinbar alles anders und das vor 1989 entwickelte Begriffsinstrumentarium obsolet geworden zu sein scheint. Senghaas betont die globalen Kontinuitäten im Feld der Nuklearwaffen: dem „Gleichgewicht des Schreckens“ ist ein „Ungleichgewicht des Schreckens“ gefolgt, das sich durch den bereits in den 1960ern begonnen Trend zu maßgeschneiderten, „konventionalisierten“ Nuklearwaffen auszeichnet. Weniger informativ, dafür inhaltlich ärgerlich, ist der Beitrag von Mohssen Massarat, der, als Alternative zu US-dominierten globalen Institutionen, regionale Zusammenschlüsse nach Vorbild der EU ins Spiel bringen möchte. Gefangen im „methodologischen Nationalismus“, schlägt er eine „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten“ vor, in der – nach Vorbild der KSZE/OSZE – „regionale Arbeitsteilung mit komparativen Kostenvorteilen“, „grenzüberschreitende Investitions- und Finanzierungsprojekte“ u. ä. helfen sollen, die „erheblichen finanziellen und menschlichen Ressourcen“ der Region anzuzapfen. Was daran emanzipatorisch sein soll, blieb – zumindest dem Rezensenten – unklar. Glücklicherweise rückt Thomas Roithner das rosige Bild der EU-Kooperation „zum Vorteil aller beteiligten Staaten“ (Massarat) in seinem Aufsatz gerade. Er zeigt, wie der europäische Integrationsprozess zusehends an militärpolitischer Dimension gewinnt und, dass die Frage bald nicht mehr: „Sicherheit für Europa“, sondern „Sicherheit vor Europa“ lauten wird. Die jüngsten Ereignisse im Tschad scheinen Roithners Thesen jedenfalls zu stützen. Die bundesdeutsche Perspektive liefern Norman Paech und Kerstin Seifer, die den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr als „neokoloniales Projekt“ diskutieren, während fünf Beiträge Einblick in die schweizerischen Diskussionen zu Außen- und Sicherheitspolitik geben (hierzulande nicht zuletzt in „neutralitätspolitischer“ Hinsicht interessant). Ruth Seifert fragt, warum die Debatte um Frauen im Militär im deutschsprachigen Raum so plötzlich eingeschlafen ist. Dies ist neben einer Rezension von Birge Krondorfer, einer von zwei feministischen Beiträgen zum Thema. Besonders interessant sind die Texte zur Wiederkehr der Folter im Zuge des „Kriegs gegen den Terror“: Heiner Busch beleuchtet diese anhand der juristischen Um- und Neuinterpretationen, durch die versucht werde, „den Status der Rechtlosigkeit in rechtsförmige Konstruktion zu camouflagieren“. Susanne Krasmann wiederum bietet eine „Foucault’sche Perspektive“ auf das Thema an und argumentiert, dass gerade das Recht nicht als Garant für Sicherheit und Freiheit begriffen werden darf. Letztlich muss als kleines Manko des Hefts bemerkt werden, dass die theoretische Tiefenschärfe nicht bei allen Beiträgen gleich stark ist. Manchen Beiträgen im Hauptteil hätte eine Auseinandersetzung mit imperialismustheoretischen oder politökonomischen Debatten sicherlich gut getan. Diese finden sich im „Diskussions“-Teil der Ausgabe, wo neben einem etwas apokalyptischen Aufsatz von Robert Kurz zur aktuellen Kreditkrise, spannende Beiträge zum Imperialismusbegriff und zur Kapital-Lektüre zu finden sind.

Weltordnung, Kriege und Sicherheit. Widerspruch. Beiträge zu sozialistischer Politik. Heft 53 Zürich: Widerspruch 2008, widerspruch

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