Ist der Weg schon das Ziel?

<p>Die Diskussion um die Einführung einer Kulturflatrate – also die Einführung einer pauschalen, den UrheberInnen zugute kommenden Abgabe im Austausch gegen das freie Tauschen des kulturellen Contents – kommt langsam auch in Österreich an. Die Vorteile eines solchen Systems liegen klar auf der Hand: zusätzliches Geld für UrheberInnen und die Legalisierung existierender sozialer Verhaltenspraxen. Der größte Nachteil liegt in den Denkblockaden, die das Modell vor

Die Diskussion um die Einführung einer Kulturflatrate – also die Einführung einer pauschalen, den UrheberInnen zugute kommenden Abgabe im Austausch gegen das freie Tauschen des kulturellen Contents – kommt langsam auch in Österreich an. Die Vorteile eines solchen Systems liegen klar auf der Hand: zusätzliches Geld für UrheberInnen und die Legalisierung existierender sozialer Verhaltenspraxen. Der größte Nachteil liegt in den Denkblockaden, die das Modell vor allem bei Verwertungsgesellschaften und in der Kulturindustrie auslöst: Noch ist nicht absehbar, wie eine Einführung so zu konstruieren wäre, dass die Vorteile der Vergütung sich auch in der Verteilung niederschlagen bzw. wie die Diskussion um eine Einführung überhaupt konstruktiv werden kann. So wehrte sich Ende November die Direktorin der austro mechana (Ursula Sedlaczek) auf einem Podium des Kulturrat Österreich zum Thema eine Stunde lang gegen die „Verwässerung des Urheberrechts“, um zum Schluss zu verkünden, dass eine Kulturflatrate à la longue wohl unausweichlich sei. Die Kulturrisse sprachen mit zwei Vertretern aus dem Feld der Medientheorie: mit Volker Grassmuck, einem der prononciertesten Befürwortern der Kulturflatrate, und Felix Stalder, der mehr an der Diskussion auf dem Weg zu einem Ergebnis interessiert ist, das nicht Kulturflatrate heißen muss.

Wie hat sich die Diskussion um die Einführung einer Kulturflatrate entwickelt? Und warum ist schon die Diskussion so wichtig?
Felix Stalder: Die Diskussion ist entstanden vor dem Hintergrund eines drängenden sozialen Problems. Die Art und Weise, wie digitale Kulturgüter produziert, vertrieben und genutzt werden, wie Personen damit umgehen, wie neue Öffentlichkeiten entstehen, hat sich in den letzten zehn Jahren, spätestens seit Napster, radikal gewandelt. Das war schon lange absehbar, aber mit Napster ist das auf eine relevante, auch für die Industrie wahrnehmbare Massenbasis gehoben worden. Auf der anderen Seite haben sich die Geschäftsmodelle der Kulturindustrie erstaunlich wenig gewandelt und sind deshalb in die Krise geraten. Und seitdem gibt es verschiedene Versuche von Seiten der Industrie, diese Krise zu lösen. Von Ende der 1990er bis so 2007/08 wurde etwa versucht, die Vertriebswege wieder zu kontrollieren; durch technische Maßnahmen, Digital Rights Management (DRM), genaue Abrechnungsmodelle zu entwickeln, so dass jede Nutzung hätte abgerechnet werden sollen. Diese Versuche sind im Wesentlichen gescheitert. DRM-Technologie, soweit sie für den Nutzer sichtbar wird, wurde klar abgelehnt. Die Technologie war weder zuverlässig noch akzeptabel. Parallel dazu wurden Nutzer der neuen Infrastrukturen in großem Umfang verklagt. Auch das hat sich auf die Dauer als nicht akzeptabel erwiesen. Dieses Scheitern der bisherigen Versuche, den Geist des freien Kopierens wieder in die Flaschen der alten Rechts- und Geschäftsmodelle zurückzuzwingen, öffnet den Raum für andere Ideen, wie mit dieser sich verändernden sozialen Wirklichkeit umzugehen sein könnte. Die Kulturflatrate ist das am besten ausgearbeitete Modell, das im Moment in der Diskussion ist. Es geht davon aus, dass wir uns in einer neuen Form der Kulturökonomie bewegen, dass Tauschbörsen oder ähnliche Infrastrukturen nicht mehr zentral kontrollierbar sind. Und dass wir neue Wege finden müssen, um den long tail, also den „Rattenschwanz“ der ökonomischen Nischenprodukte, zu ermöglichen und das Potenzial dieser neuen Technologien, Kultur zugänglich zu machen, zu nutzen. Das eine Problem ist, wie wir das verbinden mit einer demokratischen Informationsordnung, die nicht darauf abzielt, jede Tätigkeit zu kontrollieren. Das andere, wie man eine Balance schafft zwischen dem freien Zirkulieren von kulturellen Gütern und einer Vergütung der Kulturschaffenden, die diese Güter schaffen.
Das Zentrale in dieser Diskussion ist für mich, dass viele Aspekte, die normalerweise zusammen verhandelt werden, sich langsam zu entbündeln beginnen. Vom Blickwinkel der Kulturschaffenden aus dient das Urheberrecht verschiedenen Zwecken: Zum einen dient es dazu, die Namensnennung zu sichern und damit die Reputation eines Kulturschaffenden über eine lange Zeit möglich zu machen, und auch die Werkintegrität zu sichern und grobe Formen des Missbrauchs, des Gegen-die-Werkintention-Gehens zu verhindern. Das sind die moralischen AutorInnenrechte. Die andere Gruppe der Rechte geht dahin, nach der Veröffentlichung die Nutzung des Werkes zu einem hohen Grad kontrollieren zu können. Diese Rechte sind als Basis des Einkommens zu sehen. Normalerweise werden alle diese Aspekte gemeinsam verhandelt. Dies zeigt jetzt, dass diese Dinge voneinander getrennt werden können. Dass beispielsweise ein gewisser Verlust der Kontrollierbarkeit der Werknutzung, die wir ja in Tauschbörsen und Ähnlichem erleben, nicht gleichbedeutend sein muss mit einem Verlust der Namensnennung, und auch nicht gleichbedeutend sein muss mit einem Verlust der Möglichkeiten des Einkommens aus dieser Tätigkeit. Und diese Entkoppelung ist der zentrale Punkt, warum diese Diskussion um die Kulturflatrate jetzt langsam Schub gewinnt und politisch wichtig ist.

Wie sieht dieser politische Schub aktuell aus? Wo bewegt sich die Debatte um die Einführung einer Kulturflatrate derzeit praktisch?
Volker Grassmuck: Es gibt diese Diskussion ja schon relativ lange. Über die letzten Jahre reichte meist der Hinweis, die Einführung der Kulturflatrate würde die neu entstehenden Geschäftsmodelle im Internet verhindern – und damit war die Diskussion eigentlich auch immer beendet. Das hat sich 2009 allerdings sehr deutlich gewandelt: Die intensivste Initiative kam von den europäischen Grünen, die ein juristisches Gutachten beim Institut für Europäisches Medienrecht (Rossnagel-Studie) in Auftrag gegeben haben. Das juristische Modell, das hier überprüft worden ist, ist sehr eng angelehnt an die Privatkopieschranke, also an die gesetzliche Lizenz, die es allen Bürgern erlaubt, urheberrechtlich geschützte Werke für private Zwecke zu kopieren; im Gegenzug wird eine pauschale Vergütung auf Kopiergeräte und Leermedien bezahlt, die über eine Zentrale auf die Verwertungsgesellschaften aufgeteilt wird. Das Gutachten hat also in Analogie dazu gesagt, was hier erfolgen müsste, ist eine neue Schrankenregelung und hat dann geprüft, wie das mit dem deutschen Verfassungsrecht, dem deutschen Urheberrecht, dem europäischen Urheberrecht vereinbar ist.
Das Urheberrecht ist ja kein Eigentumsrecht, sondern eigentumsähnliches Recht, und es kann selbstverständlich, wie auch das Sacheigentum, durch Gesetze eingeschränkt werden. Das ist ja das übliche Modell des Urheberrechts, da gibt es ja bereits eine Vielzahl von Schranken: zu Gunsten des Unterrichts beispielsweise, die Privatkopie ist eine solche Einschränkung, Einschränkungen für die Verwendung von Werken im Rechtswesen und einige Dinge mehr. Dort eine weitere Schranke hinzuzufügen, wäre also theoretisch überhaupt kein Problem. Im internationalen Raum wird die Debatte in vielen Ländern geführt, in Schweden, in Frankreich sehr intensiv, in den USA wird eine Reform des Urheberrechts in verschiedenen Varianten seit 2000 diskutiert. Der erste Durchbruch hin zu einer Praxiserprobung ist zu erwarten von der Isle of Man, einem sehr kleinen Territorium mit etwa 80.000 Einwohnern. Es sieht so aus, als ob hier ein Pilotprojekt kurz vor dem Start stünde.

Im Moment entwickeln sich ja Content-Flatrate-Modelle, allerdings auf einer ganz anderen Ebene, so beispielsweise HandyanbieterInnen, die jetzt anfangen, ihr gesamtes Sortiment an mp3s für einen bestimmten Preis zugänglich zu machen. Wo liegen genau die Unterschiede zwischen einem Kulturflatratemodell und diesen Modellen?
Volker Grassmuck: Das sind Flatratemodelle zwischen Unternehmen, also business to business Flatrates, zwischen den Majorlabels auf der einen Seite und Telekommunikationsanbietern etc. auf der anderen. Hier wird also ein Ausschnitt des Gesamtkatalogs eines Majorlabels oder auch mehrerer auf einen Server gelegt. Es geht hier nicht um peer to peer – tauschen, hoch- und runterladen –, sondern das look and feel dieser Systeme ist das eines normalen Online-Musikshops. Diese Angebote sind bislang alle verbunden mit einer Kapselung der Werke in DRM. Und die Einstellung dieser digitalen Rechtekontrolltechnologie auf diesen Werken ist so, dass in dem Augenblick, in dem ein Kunde den Internetserviceprovider wechselt, sämtliche Werke, die aus diesem Angebot heruntergeladen wurden, zuklappen, also nicht mehr nutzbar sind. Das ist das eine Problem, in Richtung Kunden, das andere Problem besteht in Richtung Kreative, Künstler, denn es handelt sich, wie gesagt, um Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die selbstverständlich dem Geschäftsgeheimnis unterliegen. Das Ganze ist also intransparent, und es ist unklar, wie viel von diesen Einnahmen tatsächlich bei den Künstlern ankommt. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass alles, was aus dieser Flatrate zurückfließt, beim Label bleibt. Beides wäre anders im Falle einer gesetzlichen Lizenz – und das ist ja die Kulturflatrate –, denn hier würden die Ansprüche kollektiv verwaltet, also über die Verwertungsgesellschaften, und die unterliegen einer Transparenzpflicht. Und es gibt eine öffentliche Aufsicht. Das heißt, hier haben wir einerseits eine Gewähr für ein transparentes, faires und demokratisch gesteuertes Verfahren, und zum anderen haben wir die Gewähr, dass mindestens 50 Prozent der Einnahmen auch tatsächlich bei den Urhebern ankommen.
Es ist zentral für die Konstruktion dieses Modells, empirisch vorzugehen. Die Nutzersouveränität drückt sich im täglichen Verhalten aus. Es wird nicht mit Unterstellungen gearbeitet, es wird nicht mit Pauschalierungen auf der Vergütungsseite, also auf der Auszahlungsseite gearbeitet. Sondern die Pauschale findet sich auf Seiten der Einzahlung, auf Seiten der Nutzer. Die Auszahlung soll möglichst nah an dem tatsächlich erhobenen Nutzungsverhalten angelegt werden.

In unserem Gespräch waren bis jetzt nur die Verwertungsgesellschaften jene, die mit der Abrechnung betraut werden könnten. Gleichzeitig haben wir die aktuellen Probleme der Geldverteilung angeschnitten: Seht ihr hier tatsächliche Chancen auf eine notwendige Umorientierung?
Felix Stalder: Ich bin etwas skeptisch, was es bedeutet, den Verwertungsgesellschaften hier so eine zentrale Rolle einzuräumen: Ich denke, während man diese Diskussion vorantreibt, muss man parallel dazu auch Reformen auf der Ebene der Verwertungsgesellschaften mitdiskutieren und neue Strukturen der Aufsicht.
Volker Grassmuck: Absolut. Die Idee der Kulturflatrate wird ja durch drei Elemente skizziert: Es gibt ein spezielles Gesetz, es gibt die interne Demokratie, es gibt die öffentliche Aufsicht. Das ist sozusagen die Konstruktion der Verwertungsgesellschaften in der Idee. Real gibt es hier in der Tat große Abweichungen und einen großen Reformbedarf. Ich bin allerdings etwas optimistischer als du, Felix, was den weiteren Prozess in Bezug auf Verwertungsgesellschaften betrifft. Wir sehen die großen Herausforderungen, vor denen diese Organisationen stehen: Einerseits entwickelt die EU-Kommission Anti-Monopol-Aktivitäten, andererseits ist es die eigene Mitgliedsbasis, die immer wieder ihre Anliegen vorbringt und auf Reformen drängt.
Das gleiche passiert bei dem aus dem Creative Commons Bereich bekannten Problem, dass nämlich Mitglieder von Musikverwertungsgesellschaften – mit einer Ausnahme in Europa, nämlich der niederländischen – von der Verwertungsgesellschaft nicht die Möglichkeit zugesprochen bekommen, ihre Werke unter Creative Commons zu veröffentlichen. Insofern bin ich optimistisch: Da muss sich ganz klar etwas bewegen, und ich hoffe in der Tat, dass die Verwertungsgesellschaften in der Lage sind, sich hier zu reformieren.

Volker Grassmuck ist Sozial- und Medienwissenschaftler

Felix Stalder ist Soziologe und Medienwissenschaftler

Interview, Transkription: Doris Ausserladscheider, Clemens Christl und Patricia Köstring

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