Ertragreich und mit einem festen Platz in der Gemeinschaft. Kulturpolitik im nationalen Jahr des Ehrenamts

Denn während der Kunststaatssekretär das ideelle Rahmenwerk der neuen Ordnung den Ressortkollegen überlässt, bastelt er weiter an seinen Plänen zur "organisierten Kreativität". Mitte Jänner 2001 bekräftigte Franz Morak beim Bundeskongress der ÖVP einmal mehr, dass Kunst und Kultur stärker zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich in die Verantwortung zu nehmen sind.

Es ist schon verblüffend. Kaum eine Zeitung, schon gar kein Hochglanz-Magazin war zum Jahreswechsel aufzufinden, das in seiner Bilanz zum politischen Wendejahr 2000 der boulevardesken Verlockung widerstehen wollte, den neuen Kunststaatssekretär bis über den grünen Klee zu loben. Franz Morak sei ein Kulturpolitiker, befand etwa Christoph Hirschmann im feuilletondürren FORMAT, mit dem "Österreichs Künstler, Kulturmanager und Autoren leben können". So ist das also. Und von wem immer hier die Rede ist: Viele der Angesprochenen werden sich schon mit Franz Morak zufrieden geben. Auch der Bundeskanzler nimmt gerne Notiz von solcher Zufriedenheit. Bevorzugt in Form von Bekennerschreiben aus dem symbolträchtigen Reich der Kunst, die obendrein persönlich an ihn gerichtet sind.

Das Feld der Kulturinitiativen sollte es vorziehen, weiterhin im Bekenntnis zum Widerspruch das eigene Leben zu erhalten. Und es wird leben, wenn der Bundeskanzler ebenfalls reichlich davon erfährt. Denn von den ersten zehn Monaten des Staatssekretärs für Kunst und Medien ist dessen politische Weitsicht ebenso wenig hervorzustreichen, wie seine beharrliche Weigerung, die im Grunde demokratiepolitische Essenz des Ressorts gegen die kunst- und kulturfeindliche Haltung des Koalitionspartners FPÖ in Stellung zu bringen, der im selben Zeitraum die autoritäre Wende ganz entscheidend mitgestalten konnte.

Im Rahmen der Kulturrisse wurde in den vergangenen Jahren bereits mehrmals aufgezeigt, dass Kulturpolitik sich nicht auf den eng gefassten Aufgabenbereich des Kunstressorts beschränkt. In diesem Sinne war auch die Interessenvertretung der IG Kultur Österreich stets darauf bedacht, die vielschichtige politische Einflussnahme auf die Kulturentwicklung in ihrer Gesamtheit darzustellen. Das hat dem Netzwerk der österreichischen Kulturinitiativen nicht nur Sympathien eingebracht. Denn schließlich wurde damit auch vereitelt, dass eine Politik gegen Kunst und Kultur mit der Ahnungslosigkeit der Betroffenen spekulieren durfte. Jetzt, angesichts der neuen Regierungskonstellation, erweist sich das Erkennen von Zusammenhängen auf alle Fälle als wichtiger denn je.

Nachdem im Frühjahr 2000 mit der kurzzeitigen Absicht einer kompletten Streichung des begünstigten Postzeitungsversandtarifs erstmals der Versuch so richtig sichtbar wurde, eine demokratiepolitisch unerlässliche Voraussetzung von Meinungsvielfalt nachhaltig zu beseitigen, hielten sich die Hardliner der Koalitionsparteien in Grundfragen der gesellschaftlichen Neuordnung auch fortan keineswegs bedeckt. Die Böcke seien von den Schafen zu trennen. Und: Wer von gemeinem Nutzen ist, braucht auch in Hinkunft nichts befürchten. Nach einer Regierungserklärung zu trügerisch sorglosen Perspektiven der Kunst unter Schwarz-blau war die Furcht damit ein weiteres Mal als beständige Kategorie im politischen Alltag festgeschrieben. Unerschrockene gab es zu dieser Zeit nicht viele. Staatssekretär Morak, als Ressortverantwortlicher eigentlich auch erster Fürsprecher einer bissigen Kultur, zählte jedenfalls nicht zu ihnen. Er zog es vor zu schweigen.

Beängstigend ruhig ist es noch immer. Aus Anlass des von der UNO für 2001 ins Leben gerufenen "Internationalen Jahr der Freiwilligen" hat sich die Bundesregierung etwas ganz Besonderes einfallen lassen und damit zugleich ihr Inneres stark nach außen gekehrt. Mit der Konstitution eines "Österreichischen Nationalkomitees" ist weitgehend unbemerkt ein erster Grundstein gelegt, die Kholsche "Bürgergesellschaft" mit völkischen Wertemustern zu umgarnen. Die interdisziplinäre Verantwortung für das Gelingen des Projekts trägt der oberste Vereinspolizist der Republik, Innenminister Ernst Strasser, gemeinsam mit dem Haider-treuen Sozialminister Herbert Haupt. Von diesem wurde zum Auftakt am 5. Dezember 2000 die Richtung sehr deutlich vorgegeben: "Es steht für mich außer Frage, dass jeder von uns Verantwortung für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft hat. Die Sicherung des sozialen Zusammenhalts ist eine Aufgabe, die letztlich jede Bürgerin und jeden Bürger betrifft. Und gerade hier spielt das freiwillige Engagement eine Schlüsselrolle."

War ein halbes Jahr zuvor die politische Rhetorik noch auf sehr grobschlächtige Art darum bemüht, das österreichische Vereinsleben zu entzweien, indem regierungskritische Aktivitäten als missliebig und nicht weiter förderungswürdig eine Vorführung über sich ergehen lassen mussten, so betont man nun mit feinerer Klinge die unterstützenswerte Variante des allgemein verbindlichen Guten und deren neuen Rang in der Gemeinschaft. Es steht zwar ein Ende der Förderungsschikane im Falle der Wiener Netzkultur-Institution Public Netbase t0 noch immer aus, weil - wie Karl Schweitzer von der FPÖ in aggressivem Ton bemerkte - diese "Vereinigung nicht mehr nur in die Hand beißt, die sie füttert, sondern direkt in die Halsschlagader der Regierung", da spricht Ernst Strasser bereits in versöhnlichem Anmut vom "solidarischen Füreinander und Miteinander", die der gemeinnützigen Tätigkeit als Leitgestirn mit auf den Weg gegeben werden sollen.

Somit schreibt sich das Programm der neuen Rechtsregierung ohne großes Aufsehen, dafür aber unaufhörlich fort. Auf Basis der Erfahrungen mit der fatalen Neuregelung beim Postversandtarif sind gerade Kulturinitiativen gut beraten, diese Entwicklungen mit größter Wachsamkeit zu verfolgen. Denn mit dem Nationalkomitee entsteht nicht nur ein neuer Kult um das Ehrenamt, der als rot-weiß-rotes Flickwerk über die tatsächlichen Brüche eines Rückbaus des sozialen Zusammenhalts hinwegzutäuschen hat. Dass die Verantwortlichen dabei ausgerechnet jene Initiativen in ihren Herzen tragen könnten, die das Ehrenamt nicht wie einen Tabernakel über das eigene Tun erheben, ist ein verschwendeter Gedanke. Nicht einer kantigen Kulturarbeit abseits des Mehrheitsgeschmacks wird hier im Gemeinwesen ein Platz an vorderer Stelle angewiesen, sondern - wie es Andreas Khol in seinem "persönlichen Credo" zur Bürgergesellschaft vor knapp zwei Jahren postulierte - der "Partnerschaft und Nächstenliebe".

Die Teilnahmslosigkeit des Staatssekretärs für Kunst und Medien gegenüber einem gezielt herbeigeführten Paradigmenwechsel, der Kunst und Kultur von außerhalb neue Daseinsbestimmungen verordnet, sticht dabei gar nicht mehr so sehr ins Auge. Auffälliger ist da schon, dass selbst die parlamentarische Opposition nun zunehmend verstummt. Damit könnte die Sache ein wirklich böses Ende nehmen. Denn während ÖVP und FPÖ eine sehr klare Vorstellung davon haben, wie die österreichische Vereinswelt nach gründlicher Säuberung ihrem Reformwerk zur Seite stehen soll, vermisst man sowohl bei den Grünen als auch auf Seiten der Sozialdemokratie die offensive Formulierung einer entgegengesetzten Position. Hinzu kommt, dass sich auch das kulturelle Feld zu lange mit einer sehr technischen Definition der Gemeinnützigkeit begnügte. Doch über die steuerrechtliche Begünstigung alleine, die zudem fortschreitende Einschränkungen hinzunehmen hat, wird auf Dauer kein tauglicher Ausweg zu finden sein.

Schließlich darf eine Festlegung der gesellschaftlichen Relevanz von Vereinsarbeit gerade jetzt nicht den Rechts-Konservativen überlassen werden. Kulturinitiativen müssen deshalb nicht gleich dem Eifer folgen, ihre Nützlichkeit für das Gemeinwesen nachzuweisen. Es sollte allerdings die Diskussion um das "nationale Interesse" an den Vereinen sehr wohl dazu Anlass geben, über den Wert eines konsequenten Einspruchs gegen dieses Denken ein breiteres Bewußtsein zu erzielen. Nicht im willenlosen Einfügen in Reih und Glied eines sich selbst restaurierenden Nachbarschaftsgefüges liegt die Funktion des kulturellen Feldes, sondern im zivilgesellschaftlichen Anspruch, selbst-organisierte Öffentlichkeiten herzustellen und sich durch eine aktive künstlerische und kulturelle Teilnahme am politischen Geschehen auch in Konflikt zu den Regierenden zu begeben.

Dieser Konflikt ist unumgänglich. Denn während der Kunststaatssekretär das ideelle Rahmenwerk der neuen Ordnung den Ressortkollegen überlässt, bastelt er weiter an seinen Plänen zur "organisierten Kreativität". Mitte Jänner 2001 bekräftigte Franz Morak beim Bundeskongress der ÖVP einmal mehr, dass Kunst und Kultur stärker zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich in die Verantwortung zu nehmen sind. "Die Ökonomie der Aufmerksamkeit", so eine ganz zentrale Zielsetzung, "wird dann zum neuen Zahlungsmittel".

Ob die eingangs genannten "Künstler, Kulturmanager und Autoren" mit ihrer Zufriedenheit diesem kulturpolitischen Shareholder-Prinzip weiterhin in Bekennerschreiben an den Herrn Bundeskanzler Gehorsam leisten wollen, bleibt mit großer Spannung abzuwarten. Für die Kulturinitiativen gilt jedenfalls das genaue Gegenteil: Sollte es nicht gelingen, der voranschreitenden Verschmelzung von volksgemeinschaftlichen Beschwörungsformeln mit marktwirtschaftlichen Ertragsabsichten im kulturellen Feld durch kräftigen Widerspruch Einhalt zu gebieten, dann ist ihnen sicher kein langes Leben mehr beschert. Es ist also höchste Zeit zu handeln. Insbesondere für die Opposition in diesem Lande.

Martin Wassermair ist Sprecher der IG Kultur Österreich.

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