Wege nach Ravensbrück. Eine Innenansicht auf zwei Ausstellungsprojekte.

Von 1999 bis 2003 wurde an verschiedensten Orten Österreichs die Ausstellung „Wege nach Ravensbrück. Erinnerungen von österreichischen Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers“ gezeigt. Im Jänner und Februar 2006 war sie in einer Neubearbeitung mit dem Untertitel „Eine Ausstellung weiter denken“ in der Galerie der IG Bildende Kunst zu sehen.

Von 1999 bis 2003 wurde an verschiedensten Orten Österreichs die Ausstellung „Wege nach Ravensbrück. Erinnerungen von österreichischen Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers“ gezeigt. Im Jänner und Februar 2006 war sie in einer Neubearbeitung mit dem Untertitel „Eine Ausstellung weiter denken“ in der Galerie der IG Bildende Kunst zu sehen.

Weiter denken

Wir, vier der ursprünglich sechs Ausstellungsmacherinnen, arrangierten dafür Teile der „alten“ Ausstellung neu und stellten sie in den Kontext der Geschichte des Projekts und in den der zukünftigen Möglichkeiten – durch das „Vermächtnis“ der Ravensbrückerinnen. Eine Station machte die Projektgeschichte und unsere Arbeitsweisen über Fotos, Protokolle, Notizbücher, Bestellzettel u.v.m. zugänglich, und über den gesamten Raum verteilt formulierten wir Fragen, die uns selbst im Laufe des Projekts immer wieder begleiteten – von „Wie gestalten wir?“ bis zu „Warum interessieren wir uns für diese Geschichte?“ Bei den biographischen Porträts der Überlebenden fügten wir außerdem Aktualisierungen hinzu, die sichtbar machten, dass in den letzten Jahren leider vier der acht Frauen bereits verstorben sind. Hörstationen und ein Videofilm, in denen die Erzählungen der Frauen zu hören und zu sehen sind, platzierten wir zentral im Raum. Damit wollten wir noch einmal unterstreichen, dass unsere Arbeit wesentlich auf der Gegenwärtigkeit von Überlebenden und unserer Zusammenarbeit mit ihnen beruhte, aber auch, dass vermittelnde Formen, wie Audio- und Videodokumente, in naher Zukunft die direkten Erzählungen ablösen werden.

Das Vermächtnis der Ravensbrückerinnen

Auf diesem Weg versuchten wir, die BesucherInnen zum Thema des „Vermächtnisses“ heran zu führen. Es wird durch einen Text angesprochen, der anlässlich der Übergabe der Organisation der Überlebenden – des Vereins der Lagergemeinschaft Ravensbrück – an die jüngeren Generationen im letzten Jahr entstanden ist. Dieses „Vermächtnis“ steht gegenwärtig im Zentrum unseres „Weiter Denkens“. Bereits seit etwa 1996 bezog die österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück aktiv Frauen der jüngeren Generationen in ihre Arbeit mit ein. So waren es auch die Überlebenden selbst, die den Anstoß zur Ausstellung des Jahres 1999 gaben und die das Lager Ravensbrück – das ja 80 km nördlich von Berlin liegt – auch in Österreich (wieder) zum Begriff machen wollten. In ihrem „Vermächtnis“ haben diese Frauen uns alle aufgefordert, gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen zu arbeiten und aktiv in den Diskurs der Erinnerung einzugreifen. Für uns waren und sind die Überlebenden jedoch nie nur „Zeitzeuginnen“. Wir haben sie als politisch aktive und sensible Frauen kennen gelernt, die gegen Antisemitismus und Rassismus, gegen Gewalt und soziale Ungleichheit gekämpft haben und die auch in uns eine solche Haltung bestärken.

Korrekturen des Erinnerns und Verschweigens

Es war und ist uns jedoch auch ein Anliegen, den Fokus, der durch die Geschichte der Lagergemeinschaft auf den ehemals politisch verfolgten Frauen lag, zu erweitern und so viele Opfergruppen wie möglich in den Blick zu bekommen, ohne sie zu hierarchisieren. Diesem Wunsch wurden für die Arbeit an der Ausstellung Grenzen gesetzt, die unmittelbar mit der gesellschaftspolitischen Situation Österreichs nach 1945 zu tun haben. Anhaltende strafrechtliche Verfolgung, etwa von Homosexualität oder Schwangerschaftsabbrüchen, und die offizielle Weigerung, bestimmte Gruppen als Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen, führten etwa zu einem beinahe lückenlosen Schweigen dieser Überlebenden. Die Geschichte einer Frau, die wegen lesbischer Beziehungen verfolgt wurde, ließ sich in der Ausstellung daher nur anhand von Archivmaterial rekonstruieren. Die Arbeit an der Lebensgeschichte einer Frau, die wegen mehrfachen Verstoßes gegen das Abtreibungsverbot als „Kriminelle“ im KZ Ravensbrück war, wurde 1999 von der Unwilligkeit eines Gerichtsarchivs, uns Akteneinsicht zu gewähren, beendet. In der aktuellen Ausstellung nahmen wir diesen Faden wieder auf – denn auch diese Opfer und Überlebenden müssen selbstverständlich in das „Niemals vergessen“ eingeschlossen sein.

Das Projektnetzwerk und Begleitprogramm

Das Begleitprogramm zur Ausstellung eröffneten wir mit einer Lesung von Erzählungen der acht Frauen der Ausstellung über ihre Rückkehr nach Österreich und ihre Erfahrungen der Nachkriegsjahre. In wöchentlicher Folge fanden auch Werkstattberichte aus dem gesamten Projektnetzwerk statt: Frauen vom VideoArchiv Ravensbrück, vom Forschungsprojekt und der Ausstellungsgruppe erzählten aus der Projektgeschichte und von laufenden Vorhaben und reflektierten die Voraussetzungen und die Schwierigkeiten ihrer Arbeit. Diese Berichte, die in dieser Form nur sehr selten öffentlich werden, beleuchteten auch die politische Situation der letzten Jahre, die sich unmittelbar auf die Finanzierung und Unterstützung solcher Projekte auswirkt(e). Kleiner dimensionierte und unmittelbar öffentlichkeitswirksame Vorhaben werden dabei viel eher finanziert als aufwändige Grundlagenarbeit, Dokumentation und wissenschaftliche Analyse.

Anmerkungen
Weitere Informationen unter
Ravensbrück

Literatur
Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück: Wege nach Ravensbrück. Erinnerungen von österreichsichen Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers, Katalog zur Ausstellung. Wien 2000

Katalogbestellung:
Email

Katrin Auer, Daniela Gahleitner, Sylvia Köchl und Christa Putz haben 1999 und 2006 an den Ausstellungen „Wege nach Ravensbrück. Erinnerungen von österreichischen Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers“ und „Wege nach Ravensbrück. Eine Ausstellung weiter denken“ gearbeitet.

Ähnliche Artikel

Klimaprotestbewegungen in Ausstellungen Die Idee der Nachhaltigkeit ist nicht neu und bedeutet knapp zusammengefasst: Heute auch an morgen denken. Ein Grundsatz, der für Museen per se zum Selbstverständnis gehört. Aber denken wir auch ausreichend an zukünftige Generationen jenseits vom Sammeln und Bewahren? Wie können Museen ihre Plattform nutzen, um das Thema Nachhaltigkeit gemeinsam mit dem Publikum zu reflektieren? Und wie können Museen ihrer ökologischen Verantwortung als Betrieb nachkommen?
Erinnerungskultur Theater Geschichtsaufarbeitung In meiner Muttersprache, dem Slowenischen, gibt es das Wort „Gedächtnis“ nicht. Es ist immer das Wort „spomin“, das Erinnerung bedeutet. Will ich mir etwas merken, es „im Gedächtnis“ behalten, muss ich mich zeitgleich daran erinnern können. Ein Paradoxon, würde man meinen. Nebbich. Das Merken setzt Erinnerung voraus, Erinnerung wiederum Erlebtes. Vorhanden bleibt, woran man sich erinnert und woran erinnert wird. Gedenken, feierliches Begehen, sind ebenso Erinnerung wie alles Bleibende und alles das, was in jedem Augenblick im Menschen da ist. In der slowenischen Sprache ist das so. 
Stolpersteine Gedenken NS Opfer Der Nationalsozialismus, bemerkte der Auschwitz-Überlebende Primo Levi im Jahr 1990, habe seine Verbrechen in strikter Geheimhaltung verübt und dabei getrachtet, die Erinnerung an die Opfer auszulöschen.