„Randzonen der Kreativwirtschaft“

<p>Den Titel „Randzonen der Kreativwirtschaft“ trägt eine Publikation, die 2009 aus einem Forschungsprojekt von <i>mediacult</i> und des Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie hervorging. Dabei wurden die türkische, chinesische und südasiatische Kreativwirtschaft in Wien untersucht. Das Feld der Kreativwirtschaft wurde in diesem Projekt bewusst weit verstanden, sodass es den gesamten Bereich „der professionellen Produktion und Verbreitung von

Den Titel „Randzonen der Kreativwirtschaft“ trägt eine Publikation, die 2009 aus einem Forschungsprojekt von mediacult und des Instituts für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie hervorging. Dabei wurden die türkische, chinesische und südasiatische Kreativwirtschaft in Wien untersucht. Das Feld der Kreativwirtschaft wurde in diesem Projekt bewusst weit verstanden, sodass es den gesamten Bereich „der professionellen Produktion und Verbreitung von Klängen und Bildern“ (57) umfasst. Die empirische Basis bilden Befragungen, Interviews sowie ethnomusikologische Feldforschung. Aufgrund der spezifischen Bewegtheit des kulturellen Feldes konnte zwar keine flächendeckende Bestandsaufnahme geleistet, dafür aber eine Vielzahl an qualitativen Ergebnissen gewonnen werden, die nicht nur in Form analysierter Daten, sondern auch in einer Serie von Kurzporträts präsentiert werden. Eine DVD mit Kurzfilmen ergänzt den Sammelband und erweitert so auch die gewohnte sozialwissenschaftliche Darstellungsform der Abfolge von verschiedenen Buchbeiträgen.

Klassen- vs. ethnische Ressourcen
Spannend ist Andreas Gebesmairs Auswertung der Analyse der individuellen Netzwerke der befragten Personen, wo er gängige Annahmen der Migrationsforschung relativiert: Er zeigt anhand der Projektergebnisse auf, dass „zumindest in der Kulturarbeit so genannte Klassenressourcen, also Ressourcen, die jemandem aufgrund ihrer/seiner sozialen Stellung zukommen, wichtiger sind als die Einbindung in ein migrantisches Netzwerk, die auch als ethnische Ressource bezeichnet wird“ (179). Die Annahme, dass die (familiären) Netzwerke in Communities mit Migrationshintergrund stärker genutzt werden als in den Kontexten der Mehrheitsgesellschaft, trifft also für das Feld der Kultur nicht zu. Darüber hinaus weist Gebesmair auch drauf hin, dass genau diese Ressourcen für Mehrheitsgesellschaften so gut wie nicht erforscht sind und somit keine valide Vergleichsbasis gegeben ist. Es wird deutlich, dass sich in dieser Hinsicht Kulturschaffende mit Migrationshintergrund nicht von denen der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden.

Dass es aber sehr wohl massive Unterschiede gibt, machen die Beiträge von Kim Kwok und Michael Parzer klar. Kwok stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen dar, um zu einem durchaus bekannten Fazit zu kommen: „Im Gegenteil zu selbstständigen Personen hat sich die rechtliche Lage für drittstaatsangehörige Künstlerinnen und Künstler massiv verschlechtert, indem der Gesetzgeber dieser Gruppe keine Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt gibt“ (135). Und Parzer zeigt auf, dass migrantische Kulturunternehmungen, „seien sie kommerzieller Natur oder nicht“, in weitaus geringerem Ausmaß öffentliche Förderungen erhalten als jene der Mehrheitsgesellschaft. Die Gründe hier sind vielfältig: Informationsdefizite und Beratungsangebote, die sich nach wie vor an den Bedürfnissen der Mehrheitsgesellschaft orientieren, ein allgemeines Misstrauen öffentlichen Einrichtungen gegenüber oder auch das Zugreifen auf finanzielle Ressourcen innerhalb der Community, von der Familie bis hin zu Sponsoren. Es ist bedauerlich, dass hier wie in so vielen Sammelbänden eine zusammenschauende Analyse der Ergebnisse ein wenig zu kurz kommt, da gerade die hier auftretenden Widersprüche beispielsweise zu den Ergebnissen von Gebesmair eine Vertiefung gebraucht hätten, anstatt sie unkommentiert nebeneinander stehen zu lassen.

Eine systematische Bestandsaufnahme
Was der Band aber dennoch leistet, ist eine erste, systematische Bestandsaufnahme, die auch die Zielgruppen und Strategien der Öffentlichkeitsarbeit von Kulturschaffenden mit Migrationshintergrund darstellt. Was leider etwas zu kurz kommt, ist die Antwort auf die berühmte Frage nach der Vermischung von Lebensweisen. Indirekt wurde dies jedoch bei der Präsentation durch die eingeladenen Kulturschaffenden deutlich: Die Jugendkultur ist weniger durchmischt, als es oft angenommen wird; zwar folgen die kulturindustriellen Produkte, die konsumiert werden, einem hybridisierten Mainstream, der je nach Zielgruppe ethnisch eingefärbt wird, jedoch findet die Segregation weniger auf inhaltlicher Ebene statt als durch die Wahl der Lokale und Veranstaltungsräume. Die Hybridisierung der konkreten Lebensverhältnisse bleibt ein Elitenphänomen. Und hier ist es zu bedauern, dass nicht mehr Aufwand in die Bearbeitung dieser Fragen geflossen ist, denn wenn die vier zentralen Vermarktungsstrategien (misch-, inter-, intra- und transkulturell) tabellarisch aufgelistet werden, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit, die verschiedenen Grade kultureller Überlagerungen in dieser Weise darzustellen.

Eine neue Ära der qualitativen Forschung?
Eine Qualität des Projektes ist jedoch besonders hervorzuheben. Nach beinahe einem Jahrzehnt des Zählens, Wiegens und Messens der CCI bricht nach und nach die Ära der qualitativen Forschung an. Nachdem erkannt werden musste, dass die so genannten Hardfacts aufgrund fehlender Daten kaum härter waren als grobe Schätzungen, werden nun auch andere Ansätze vermehrt aufgegriffen, um die komplexen Zusammenhänge der CCI zu analysieren und zu verstehen. Ob das allerdings PolitikerInnen und BeamtInnen auch so antörnen wird wie die Creative Industries, bleibt abzuwarten.

LITERATUR
Gebesmair, Andreas (Hg.): Randzonen der Kreativwirtschaft. Türkische, chinesische und südasiatische Kulturunternehmungen im Vergleich. Wien 2009.

Elisabeth Mayerhofer ist Mitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS).

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