Faktum Flohmarkt

„Den Turm mit den Mitteln der Kunst sprengen“, so lautete der Titel einer Veranstaltung, die im Rahmen der Aktionstage der KünstlerInnengruppe Faktum Flakturm stattfand, nachdem der Flakturm im Arenbergpark im dritten Wiener Gemeindebezirk geräumt werden musste.

„Den Turm mit den Mitteln der Kunst sprengen“, so lautete der Titel einer Veranstaltung, die im Rahmen der Aktionstage der KünstlerInnengruppe Faktum Flakturm stattfand, nachdem der Flakturm im Arenbergpark im dritten Wiener Gemeindebezirk geräumt werden musste. So wurde aus einem gesprengten Turm eine ausgesperrte Kunst. Doch die ganze Geschichte von vorne: Alles beginnt 2005, als die Künstlerin Marianne Maderna erstmals den Leitturm der NS-Fliegerabwehr, der seit Kriegsende verschlossen war, für ein Ausstellungsprojekt öffnen konnte. Im Gegensatz zu den anderen fünf Flaktürmen, die ohne nähere Aufarbeitung und Auseinandersetzung mehrheitlich kommerzieller Nutzung überantwortet wurden, stellt der Leitturm im Arenbergpark eine zeithistorische Momentaufnahme der letzten Kriegszeit dar. Das reicht von Aufzeichnungen über die Mitarbeit von ZwangsarbeiterInnen bei der Errichtung der Türme, die nach wie vor das Wiener Stadtbild prägen bis hin zu Funden, die die Zivilbevölkerung zurückgelassen hat. Alles bisher unter Tonnen von Staub begraben, aber unberührt von der einschlägigen Szene der Nazi-Devotionalien-SammlerInnen.

Ein Jahr nach der Ausstellung von Maderna, 2006, formierte sich eine interdisziplinäre Gruppe aus KünstlerInnen, ArchitektInnen und HistorikerInnen und begann den Turm zu räumen, die Funde zu sichern und ein Konzept zu entwickeln, wie die vielschichtige Auseinandersetzung um den Flakturm geführt werden könnte. Ausstellungen wurden organisiert und durchgeführt, Kooperationen eingegangen und vor allem eine Finanzierung gesucht, damit die künftige Arbeit auf gesicherter Basis ablaufen kann. Nachdem der Mietvertrag ausgelaufen war, wäre einer Erneuerung des Vertrages oder einer Verlängerung nichts im Wege gestanden, wenn nicht durch die Öffentlichkeit, die die KünstlerInnengruppe auf sich und den Turm gezogen hatte, nicht auch diverse Begehrlichkeiten verschiedener Institutionen auf den Plan getreten wären. Verschiedene Magistratsabteilungen, das Denkmalamt und Bundesstellen begannen, die KünstlerInnen in einen Kreislauf verschiedener Zuständigkeiten zu schicken, Vertröstungen wurden ausgesprochen, Hoffnungen geweckt. Und die politisch Verantwortlichen stellten sich tot, während der administrative Apparat das Projekt zu Tode streichelte und sich darauf verließ, dass den ehrenamtlich arbeitenden KünstlerInnen auf Kurz oder Lang ohnehin die Luft ausgeht. Insbesondere wenn diese auch noch in offenen, reflexiven Prozessen arbeiten wollen.

Um das Ganze noch zu beschleunigen, wurde die Gruppe sicherheitshalber aus dem Turm ausgesperrt, ungeachtet dessen, dass die Vorbereitungsarbeiten für eine weitere Austellungen bereits im Gange waren. Selber schuld, wer ohne Auftrag aktiv wird. Inzwischen wird versucht, über verschiedene Aktionen sowie Medienarbeit zu retten, was noch zu retten ist, auch wenn manche der Aktionen in ihrer kooperativen Harmlosigkeit nicht nur gegenüber der Monstrosität des Bauwerks abstechen.

Paradoxerweise übersieht die Stadt dabei in der Hitze des Gefechts ihrer humorigen Machtspielchen, wo die eigentlichen GegnerInnen stehen. Denn inzwischen tummeln sich munter auf „Militaria“-Seiten die Tipps zum Einsteigen in den Turm sowie Fotos über entwendete Funde. Und hier stellt sich die Frage, ob es wirklich die Absicht der sozialdemokratisch regierten Stadt ist, dass die einzigartige Chance, die sich aus den Funden ergibt, auf mehr als fragwürdigen Flohmärkten endet? Als wären die feschen Aussichtsplattformen auf Gebäuden, die während des NS-Regimes mit ZwangsarbeiterInnen und Inhaftierten errichtet wurden, nicht schon unappetitlich genug.

Faktum Flakturm
Militaria Forum

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