Deutsch als flexible Arbeitskraft

Zum Protest der freien Mitarbeiter_innen der Goethe-Institute in Deutschland.

Den Deutschunterricht der staatlich-beauftragten Goethe-Institute tragen großteils freie Mitarbeiter_innen. Manche arbeiten schon seit vielen Jahren als Sprachlehrer_innen zweiter Klasse. Seit Sommer wurde in vier deutschen Städten protestiert.

Prekäre Arbeit, guter Ruf

„Wir sind 80 Prozent“, steht auf dem Protestmuffin, den die Sprachlehrerin Carolin* vor dem Goethe-Institut in Berlin-Mitte einer interessierten, aber verwunderten Sprachschülerin reicht. Zu 80 Prozent werde der Sprachunterricht an diesem Standort von freien Mitarbeiter_innen getragen, erklärt Carolin ihr. Sie arbeiten nicht nur flexibler, sondern auch schlechter bezahlt als die Festangestellten. Deshalb werde in diesem Sommer in Berlin, Freiburg, Düsseldorf und Bremen protestiert. Die vielen Freien in einer der international renommiertesten Sprachschulen – „Das ist einfach eine Taktik“, sagt Carolin. Und auch die Sprachschülerin ist empört, als ihr der Grund der Protestaktion klar wird. Zuerst hatte sie verstanden, es gehe um Muffins.

Eigentlich mag Carolin ihre Arbeit mit den internationalen Sprachschüler_innen sehr gerne, erzählt sie. In fortgeschrittenen Kursen könne sie mit ihnen über Politik und Philosophie sprechen und ihnen nebenbei die Sprache näher bringen. Letztens war ein Schüler aus Nord-Korea dabei, diese Gespräche seien auch für sie bereichernd. Seit drei Jahren arbeitet die 33-Jährige nun für das Goethe-Institut in Berlin, davor war sie zwei Jahre für einen Standort außerhalb Deutschlands tätig. Doch die Einstellung zu ihrem flexiblen Status hat sich verändert.

Etwa 1000 Euro zahle ein Schüler für einen vierwöchigen Kurs, sagt Carolin, das entspreche etwa ihrem Honorar, wenn sie Sozialversicherungen und Steuern gezahlt hat. Durchschnittlich verdienen die freien Dozent_innen 1400 Euro pro Monat für 25 Unterrichtsstunden plus Vor- und Nachbereitungszeit. „Was passiert mit den Kursbeiträgen der anderen 14 Schüler im Kurs?“, will sie wissen. Immer wieder kämen auch Hospitant_innen zu ihr in den Unterricht, die an der Sprachschule mit dem guten Ruf lernen wollen. Ob sie wissen, dass die freien Dozent_innen verpflichtet sind, sich gegen minimale Aufwandsentschädigung um sie zu kümmern?

Fehlende Mitbestimmung und morgendliche Flexibilität

An den 13 Goethe-Instituten innerhalb Deutschlands sind 70 Prozent der Sprachlehrer_innen Freie. Weil Stellen in den letzten Jahren nicht mehr nachbesetzt würden, sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), habe sich der Anteil der Freien an manchen Standorten auf 80 Prozent erhöht. Sie spricht von zwei Klassen von Sprachlehrer_innen und will die freien Mitarbeiter_innen in Tarifverhandlungen vertreten. Obwohl die Freien eine deutliche Mehrheit bilden, können sie innerbetrieblich nicht mitbestimmen, sagt Oliver Brüchert von der GEW. Sie bekommen kein Urlaubs- und Krankengeld, haben am Institut keinen Arbeitsplatz und auch keine offizielle Email-Adresse. Manchmal gebe es zu Weihnachten unangekündigte Bonuszahlungen, um kurz vor Jahresende das Budget auszulasten. Aber auch das sei nicht planbar.

Die Freien hätten sowieso schon mit den Problemen flexibler Arbeit zu kämpfen, erzählen sie. Ihre Verträge laufen üblicherweise für 17 bis 35 Tage, je nach Kurs. Häufig werden sie kurzfristig gebucht. Ein zusätzlicher Kurs am Wochenende? Schnell einen zusätzlichen Honorarvertrag. Die Chancen, in den Sommermonaten zu unterrichten, seien gut, weil im Juli und August besonders viele Leute in Berlin einen Deutschkurs buchen. Was aber im Herbst kommt, das weiß man im Sommer noch nicht. Auch bei den einzelnen Kursen ist von ihr Flexibilität gefragt, sagt Carolin: Weil die Einstufungstests immer am Montag stattfinden, erfährt sie erst dienstags um 8.30 Uhr, ob sie in ihrem Vormittagskurs Anfänger_innen oder Fortgeschrittene unterrichtet.

Wirklich verändert hat sich Carolins Einstellung, als eine gute Freundin schwer erkrankte. Im Fall einer Krankheit, wurde ihr klar, stünde sie ohne Sicherheit da. „Eine Illusion“ sei das gewesen. Das Goethe-Institut brüste sich mit der Qualität des Unterrichts, sagt einer ihrer Kollegen, der seit fünfzehn Jahren als Sprachlehrer in Berlin arbeitet. Aber wenn einer krank werde, brauche er Hartz IV.

Die Stundensätze der Sprachlehrer_innen liegen über dem, was von anderen Sprachkursanbietern durchschnittlich gezahlt wird, heißt es vom Goethe-Institut. Qualitätsunterschiede zwischen dem Unterricht der Freien und dem der Festen gebe es nicht. Man wüsste, welchen Beitrag die freien Mitarbeiter_innen leisten, und sei um eine Verbesserung bemüht. So würden Sprachlehrer_innen seit diesem Jahr für die Einarbeitungstage bezahlt und dürften kostenlos an innerbetrieblichen Fortbildungen teilnehmen.

Begründung: Saisonarbeit und Angst vor Insolvenz

Im Gegensatz zu den Niederlassungen im Ausland müssen die Goethe-Institute innerhalb Deutschlands sich selbst wirtschaftlich tragen. Weil das Interesse an Sprachkursen saisonbedingt, aber auch von einem Jahr zum nächsten, schwanke, seien mehr Festanstellungen nicht finanzierbar, heißt es. Die Teilnehmerzahlen für Sprachkurse an den deutschen Goethe-Instituten sind in den letzten Jahren angestiegen. Von 32.000 Kursteilnehmer_innen 2010 auf 39.453 im Jahr 2012. Auch der staatliche Auftrag, der in einem Vertrag zwischen dem gemeinnützigen Verein und dem Auswärtigen Amt festgeschrieben ist, schütze die Institute nicht vor Insolvenz. Zwischen 2003 und 2006 hätten einige Goethe-Institute schließen müssen. Im vergangenen Jahr haben die deutschen Institute rund 59 Millionen Euro eingenommen. Der Jahresüberschuss des Goethe-Instituts insgesamt betrug 988.000 Euro.

Gilah, die 26-jährige Sprachschülerin aus New York, ist sich nicht sicher, ob sie sich für einen Kurs im Goethe-Institut entschieden hätte, hätte sie von der Mitarbeiterpolitik gewusst. Nach Ende ihres vierwöchigen Kurses hat sie ihre Bedenken im Evaluationsbogen, in einer Fokusgruppe und nochmal in einem extra Brief an die Institutsleitung mitgeteilt. Reaktion gab es bislang keine.

Anmerkung

(*) Name geändert

Katharina Ludwig ist Journalistin und Autorin und lebt in Berlin.

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