"... ‘cause girls just wanna have fun!" Anmerkungen zum Thema Gender in der Clubkultur

Seitdem sich die so genannte "Clubkultur" während der letzten Jahrzehnte zu einem profitablen Geschäft herausgebildet hat (in einigen Ländern wie Großbritannien kann von einer regelrechten Industrie gesprochen werden, die mit hiesigen Verhältnissen kaum vergleichbar ist), finden sich auch verstärkt Frauen in traditionell männlich definierten Positionen wieder: als DJs, VJs (Visual Artists), Musik-Produzentinnen, Technikerinnen usw.

Vor einiger Zeit warb ein bekannter Plattenladen in der Wiener Innenstadt mit folgendem Satz für sein Geschäft: "Groover und Dorfrider? Kenn ich!", grübelt eine hilflos bis dümmlich dreinblickende junge Frau auf dem postkartengroßen Flyer. Ganz offensichtlich kann sich hier jemand nicht mal den korrekten Namen des bekanntesten heimischen elektronischen Musiker-Duos, nämlich Kruder & Dorfmeister, merken. Darüber hinaus werden diese aber auch noch mit dem britischen Drum’n’Bass-Pionier Grooverider verwechselt. Peinlich, peinlich. Auf der Rückseite des Flyers dann die eindringliche Mahnung: "Informier dich bitte!" Thanks guys!

Aus feministischer Sicht wäre eine erste, spontane Reaktion wohl reger Protest: Es ist müßig auszuführen, dass Frauen sich in der Elektronik-Szene ebenso gut auskennen wie Männer. Allerdings: Bei näherer Betrachtung würde ein solcher Protest der hier zu Grunde liegenden Argumentationslogik folgen, anstatt sie zu brechen. Besteht doch das Problem nicht einfach darin, dass unser Flyer-Girl als unwissend präsentiert und dadurch zum gezielten Spottobjekt wird. Vielmehr geht es um die Frage: Warum kommt die furchtbare Tragik solchen kulturellen "Unverstandes" gerade durch die Koppelung an Weiblichkeit zur Geltung? Wäre der Spott der gleiche, wenn ein Mann auf dem Flyer abgebildet gewesen wäre? Und wäre der Unterhaltungswert ebenfalls der gleiche?

Präsenz und Unsichtbarkeit

Die Repräsentation von Frauen in (sub-)kulturellen Kontexten wie dem Club, dem Plattenladen etc. beruht auf Strukturen, die sie von vornherein von kultureller Definitionsmacht und bestimmten Produktionsformen ausschließen. Denn die "wahren" Musik-Connaisseurs, coolen Label-Chefs und Plattenläden-Besitzer sind nach wie vor großteils männlich. Seitdem sich die so genannte "Clubkultur" während der letzten Jahrzehnte zu einem profitablen Geschäft herausgebildet hat (in einigen Ländern wie Großbritannien kann von einer regelrechten Industrie gesprochen werden, die mit hiesigen Verhältnissen kaum vergleichbar ist), finden sich auch verstärkt Frauen in traditionell männlich definierten Positionen wieder: als DJs, VJs (Visual Artists), Musik-Produzentinnen, Technikerinnen usw. Natürlich sind Frauen schon immer Teil dieser Szenen gewesen und natürlich haben auch sie stets kulturelle Arbeit geleistet. Ihre Produktivität findet jedoch eher als tanzendes Publikum auf dem Dancefloor, als Personal hinter der Bar oder als Promoterinnen der Veranstaltung und weniger hinter den Turntables statt. Frauen haben also schon immer dazu beigetragen, dass ein Club überhaupt funktioniert, aber eben in anders definierten Funktionen. Angela McRobbie, eine wichtige Vertreterin der britischen Cultural Studies, stellte in ihrem Buch Feminism and Youth Culture schon Ende der 1970er Jahre einige zentrale Fragen, die auch heute noch Relevanz besitzen dürften: Sind Frauen in kulturellen Szenen präsent, aber unsichtbar? Oder sind sie präsent und sichtbar? Sind ihre Rollen die gleichen wie die der Männer, nur marginaler? Oder haben Frauen tatsächlich andere Rollen inne?

"Feminin, stark, basslastig"

Der kritische Blick richtet sich zuerst immer auf jene Rollen, die offensichtlich und primär Männern vorbehalten sind – also dorthin, wo es um kulturelle "Produktion" im herkömmlichen Verständnis (DJs "produzieren", so argumentieren einige, auch wenn sie kein eigenes musikalisches Material herstellen. Denn sie schaffen ein neues "Gesamtwerk", indem sie etwa vorhandene Musikstücke in einen neuen Kontext stellen und ihnen damit einen unvorhergesehenen Sinn verleihen), um AutorInnenschaft bzw. Repräsentation von Kultur im üblichen, anerkannten Sinne geht. Wenn Frauen auflegen oder Musik produzieren, finden sie sich daher in einer ständig wiederkehrenden Ambivalenz: Einerseits werden sie sehr wohl stärker wahrgenommen, eben weil sie Frauen und damit die Ausnahme der Regel sind. Wobei sich hier die Rezeption zyklisch verhält. Es lassen sich etwa anhand der Musikberichterstattung (Magazine, TV, Radio) immer wieder Phasen des "Jetzt kommen die Frauen" beobachten. Es existiert nahezu kein Medium, das nicht wenigstens einmal ein Special zu "Female DJs", "Women in Rock Music" oder "Frauenbands" gebracht hätte. Vor allem in Krisenzeiten, wenn gerade mal das kreative Potenzial einer jeweiligen kulturellen Szene stockt oder auch abwärts geht, wird gern in die "Frauenkiste" gegriffen. Und für den Mainstream sind "Girl DJs" sehr wohl interessant, etwa weil sie als quasi "artenschutz"-würdige Wesen gut vermarktbar und bei gängigen Stereotypen entsprechendem Aussehen und Auftreten noch dazu äußerst dekorativ sind. Andererseits bleiben Frauen, ob sie nun wollen oder nicht, stets in dieser Ausnahmeposition gefangen. Weshalb etwa weibliche DJs wohl auch weiterhin mit hintergründigen Slogans wie "feminin, stark, basslastig" (so der Wortlaut einer Party-Ankündigung auf den Infoscreens in den Wiener U-Bahnstationen) beworben werden. Allerdings verbirgt sich in den vermeintlichen "Superlativen" wiederum ein Hinweis auf die unterlegene Position von Frauen.

DJ/ane

Auch die zumindest im deutschsprachigen Raum nicht enden wollende Diskussion über die Existenzberechtigung von Begrifflichkeiten wie "DJane" bezeichnet jene ambivalente Situation, in der sich Frauen wiederfinden. Viele weibliche DJs lehnen die Bezeichnung "DJane" ab, sowohl aus Angst vor der Nivellierung individueller Ansätze und Stile als auch davor, alibihalber als Quotenfrau im "Boys’ Club" herhalten zu müssen. Andere, die sich ganz bewusst als "DJane" bezeichnen, verweisen hingegen darauf, dass Frauen als Plattenauflegerinnen sich nach wie vor in männlichen Strukturen bewegen und betonen damit – Affirmation hin, Subversion her – sehr wohl ihren atypischen Status. Ähnlich wie bei "Frauenbands", "Frauenmusik" u.ä. sind solche Begriffsschübe zumindest sicheres Indiz dafür, dass im Club-Kontext immer mehr Frauen auch hinter den Turntables stehen.

"Kulturelle Arbeit"

Wenn die weibliche Präsenz in kulturellen Szenen, Genres etc. diskutiert wird, tauchen also im Wesentlichen zwei Aspekte auf: Frauen als Kulturproduzentinnen im engeren Sinne und Frauen als Publikum bzw. Konsumentinnen. In jedem Fall gehören diese beiden Aspekte immer zusammen und können nicht getrennt voneinander betrachtet werden.

Der verstärkte Blick auf die Seite der Konsumentinnen bzw. des Publikums in der theoretischen Auseinandersetzung mit der Kultur- und Unterhaltungsindustrie ist vor allem auf den Einfluss der britischen Cultural Studies zurückzuführen, die wiederum einer feministischen Kulturkritik wesentliche Impulse gegeben haben. Hier wurde in den während der 1980er Jahre neu aufgelegten Diskussionen über "Kultur" populären Produkten der Vorzug gegeben (weg von der "hohen" Kultur). Und in der Methode – unter dem Einfluss poststrukturalistischer und psychoanalytischer Zugänge – wurde insbesondere einer semiotischen Analyse mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Im Mittelpunkt feministischer Kulturkritik standen Bedeutungsproduktion (Bilder, Zeichen, Sprache), kulturell hergestellte Identitäten sowie die Konstruktion von Subjektivität und "Begehren" ("Desire").

Wie es die britische Soziologin und Cultural-Studies-Theoretikerin Erica Carter formuliert, bestand die wesentlichste Voraussetzung für die bis heute maßgebenden Diskussionen zu Gender & Kultur darin, dass Feministinnen, die im Rahmen von Strukturalismus, Poststrukturalismus und Cultural Studies arbeiteten, davon ausgingen, dass feministische Kulturkritik eine grundlegende Überprüfung der Werte notwendig mache, auf denen kulturelle Hegemonie beruht. Mit anderen Worten: Kritik an kultureller Hegemonie heißt nicht nur, den Ausschluss von Frauen aus der herrschenden Kulturproduktion zu zeigen, sondern vor allem die Basis zu untersuchen, auf der bestimmte Praktiken überhaupt als Kultur anerkannt werden. Daraus ergaben sich Fragen wie: Was heißt überhaupt kulturelle Arbeit oder Produktion? Welche Praktiken schließt sie mit ein? Welche werden nicht als eine solche anerkannt? Und warum ist das so?

Frauennetzwerke in der elektronischen Musik

Sehen wir uns die Frauennetzwerke innerhalb der diversen elektronischen Musikszenen an, so konzentrieren sich diese – naheliegenderweise – meist auf den Bereich der Produktion. Nur in einer solchen Funktion bleibt frau ansprech- und damit organisierbar, nur so lassen sich bestimmte Interessen bündeln und auf bestimmte Ziele konzentrieren. Dank Internet finden sich heute Dutzende von Mailinglisten, Datenbanken und Plattformen, die Frauen als DJs, Produzentinnen, VJs etc. mit Informationen versorgen und sie für eine breitere Öffentlichkeit überhaupt erst sichtbar machen.

Hier eine kleine Auswahl an digitalen Ressourcen für interessierte und engagierte Frauen in der elektronischen Musik: "Being tired of the argument, that there are so few [...], I intend to strengthen our scene and networking." Vor einigen Jahren begann Electric Indigo mit dem Aufbau der Datenbank Female Pressure, die lokale ebenso wie internationale "female DJs & producers" im Elektronik-Bereich umfasst. Was die diversen heimischen Szenen in Österreich angeht, lohnt ein Blick auf www.diestandard.at: hier sind Kurzporträts von lokalen DJs wie Ravissa, Electric Indigo, Amina Handke, Shroombab & MC Terra nachzulesen.

Seit Mitte der 1990er Jahre haben sich, vorrangig ausgehend vom angloamerikanischen Raum, die von Frauen für Frauen gegründeten Internet-Ressourcen in bester Do-it-yourself-Manier deutlich manifestiert. Präsenz von Frauen ist z.B. DJ Dazy aus Los Angeles ein Anliegen: 1996 kreierte sie die Datenbank Sister DJs, inklusive einer regen Mailingliste, auf der mittlerweile mehrere hundert Frauen eingeschrieben sind. DJ Dazys Ziel: "Creating a safe place to ask questions about Djing." Ähnliche Ziele verfolgen DJ-Girl, Femmebots sowie das E-Zine Pinknoises: "The one-stop web-resource for women + electronic music." Ein weiteres Diskussionsforum ist DJ Shivas Goddess Complex-Mailingliste, wo – etwa im Gegensatz zu Sister DJs –, neben "DJ-related stuff", auch explizit "feminist issues" debattiert werden.

Informations- und Erfahrungsaustausch bietet auch das Sister SF-Kollektiv aus San Francisco: "A supportive friendly platform for any female DJ, MC or live performer" und "a place where women are neither fighting to be heard nor imported merely to fulfill a gimmick quotient". Sister SF unterscheidet sich von den genannten Ressourcen insofern, als hier ein tatsächliches DJ-Kollektiv von Frauen agiert, die auch geschlossen als Gruppe auftreten. Ihre Politik umfasst nicht "nur", Frauen als DJs und Produzentinnen zu unterstützen, sondern es ist auch Teil ihrer Strategie, die Rolle des Publikums zu zeigen, oder zumindest erkennbarer zu machen. Die Organisation von Women-Only-Events und die Frage der Flyer-Gestaltung, die auch Frauen ansprechen soll, zeugt davon. Schließlich: Nicht nur die DJs, auch die Frauen im Publikum wollen ihren Spaß.

The Politics of Pleasure

Wenn Cyndi Lauper 1983 in ihrem Hit “Girls just wanna have fun” darüber sang, dass alles, was Frauen wirklich wollen, Spaß sei, so bedeutete dies nicht einfach nur Spaß im Sinne eines realitätsverweigernden, billigen Amüsements, wie es Lauper vorgeworfen wurde. "Fun" heißt hier vielmehr: Soviel vom Kuchen wie möglich abkriegen. Erkämpfte Positionen genießen und auskosten können. Und nochmals übersetzt hieße das: Teilhabe an Macht und an aktiver Mitgestaltung. Wenn Männer ihren Spaß haben – als Demonstration der überlegenen Position, die sie innehaben –, dann sollten Frauen das gleiche Recht haben.

Spaß entsteht nicht einfach aus einer passiven Haltung heraus. Spaß zu haben heißt letztlich, sich selbst zum Subjekt zu machen. Und wie bei jedem emanzipatorischen Anliegen ist die Subjektwerdung der erste Schritt für weiteres Handeln.


Websites

Female Pressure
Die Standard
DJ Dazy
Sister DJs
DJ-Girl
Pinknoises
Sister SF


Literatur

Carter, Erica, “Vorüberlegungen zu einer Theorie der Wohlstandskultur – Feministische Kritik, populäre Kultur und Konsumismus”, in: Feministische Studien, Nr. 2, November 1990, Seite 35–54.

McRobbie, Angela, Feminism And Youth Culture, London 1991

McRobbie, Angela, Postmodernism and Popular Culture, London / New York 1994

McRobbie, Angela, In The Culture Society. Art, Fashion, and Popular Music, London / New York 1999


Vina Yun studiert Sprachwissenschaften und Gender Studies an der Universität Wien. Sie war Mitherausgeberin der Zeitschrift nylon. KunstStoff zu Feminismus und Popkultur, ist derzeit Redakteurin bei der Monatszeitung Malmoe und freie Autorin für diverse deutschsprachige Printmedien, u.a. das Kölner Pop-Magazin Intro.

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